Abschlussbericht
Nachhaltige
Betriebsratsarbeit
Projekt „Mit System zum
Erfolg“
im Betriebsrat VW Emden
Finanziert von
der
Hans-Böckler-Stiftung
Ralf Behrens, Betriebsrat VW
Emden
Dr. Klaus-Stephan Otto, Dr.
Otto Training & Consulting
Frederik Fleischmann, Dr.
Otto Training & Consulting
März 2010
Abstract
___________________________________________________________________
Ziel
des Projektes „Mit System zum Erfolg“ war es, die Arbeit des Betriebsrates im
VW-Werk Emden zu strukturieren und systematisieren, um es dem Betriebsrat zu
ermöglichen, den Herausforderungen moderner Betriebsratstätigkeiten besser
begegnen zu können. Die Ergebnisse des Projektes sollten so aufbereitet werden,
dass sie auch von Betriebsräten an anderen Standorten und in anderen Branchen
genutzt werden können.
Die
Ergebnisse des zweieinhalbjährigen Projektes sind in den folgenden vier Themen-
und Arbeitsfeldern dargestellt:
1. Strategiearbeit des Betriebsrates
2. Erfolgreich verändern – neue Strukturen
3. Führung, Personalentwicklung, Qualifizierung
4. Kommunikation
Die
besondere Leistung des Projektes bestand in der gemeinsamen Bearbeitung von
sogenannten harten und weichen Faktoren.
Der
Projektprozess, die Vorgehensweise und die Ergebnisse werden in diesem Bericht
dargestellt. Die angewandten Methoden und Instrumente sind in einem separat
erscheinenden Handbuch praxisnah aufbereitet.*
___________________________________________________________________
*In der digitalen Version des
Abschlussberichtes und des Handbuches sind
Verknüpfungen eingefügt, die die praxisnahen Instrumente im Handbuch
mit den inhaltlichen Zusammenhängen im Abschlussbericht verbinden
Inhalt
1.1
Mitbestimmungslandschaft in Deutschland
1.2
Betriebsratsarbeit in VW-Werk Emden vor dem Projekt
2.1
Anknüpfung an Projektantrag, neuere Entwicklungen
2.2
Ursprüngliche Projektziele
3. Erklärungsmodell
und Leitlinien für die Betriebsratsarbeit
3.1
Entwickeltes Erklärungsmodell für die Betriebsratsarbeit
3.2
Was bedeutet nachhaltige Betriebsratsarbeit?
4.1
Evolutionäres Projektmanagement
4.3
Wer sind die Projektbeteiligten?
5. Projektphasen
mit Schwerpunktthemen und Meilensteinen
6 Bearbeitung der
Projektinhalte
6.1
Strategiearbeit des Betriebsrates
6.2
Erfolgreich verändern – neue Strukturen
6.3
Führung, Personalentwicklung, Qualifizierung
6.3.1
Systematische Bearbeitung des Themas Gender
7.1
Prozessdynamik: aktive und stockende Phasen, hemmende und fördernde Kräfte
7.2
Ein anderer Annäherungsversuch: der evolutionäre Blick
8.1
Zielerreichung/Zielweiterentwicklung
8.2
Was würden wir anders machen, „lessons learned"
8.3
Nachhaltigkeit des Projektes
8.4
Projektarbeit aus Sicht der externen Begleitung
Das Projekt „Mit System zum Erfolg“ hatte den
Betriebsrat bei Volkswagen in Emden schon lange vor dem eigentlichen
Projektstart beschäftigt. Die ersten Kontakte mit Dr. Otto Training und
Consulting im Herbst 2004 hatten uns neugierig gemacht. Wir bekamen als IG
Metall-Fraktion im Betriebsrat den Eindruck, einen Weg zu finden, um unsere
Probleme zu lösen. Wir waren damals überzeugt, gute Betriebsratsarbeit zu
leisten und bekamen dies auch über die Betriebsratswahlen bestätigt. Aber wir
waren genauso überzeugt, dass auch Betriebsratsgremien an sich arbeiten müssen,
um erfolgreich, die ihm anvertrauten Aufgaben lösen zu können. Dabei gingen wir
davon aus, dass sich das Gremium insgesamt, aber auch die kleineren Unterorganisationen
wie Fachausschüsse weiterentwickeln mussten.
Ja, mussten, wir waren
nämlich auch davon überzeugt, dass so gut die herkömmliche Arbeitsweise auch
funktionierte, der Wandel kommen musste. Denn nur mit einer weiter entwickelten
Betriebsratsarbeit konnten wir davon ausgehen, in der dramatisch veränderten
Wirtschafts- und Volkswagenrealität bestehen zu können. Es war vorherzusehen,
dass es um einen grundlegenderen Wandel gehen musste, der die Organisation,
aber auch die einzelnen Betriebsräte in ihrer Person und ihren Fähigkeiten
betraf. Wir wollten Menschen und Organisationen stärken, um auf diesem Weg, die
Mitbestimmung in einem wichtigen Standort bei Volkswagen zu unterstützen. Uns
war von Beginn an klar, dass dieses Projekt Prozesse in Gang setzen würde, die
viel Zeit in Anspruch nehmen würden. Veränderungen benötigen oftmals viel Zeit
– gerade wenn es sich um Betriebsratsstrukturen handelt, die nicht „von
oben“ vorgegeben werden können. Deshalb hatten wir eine lange Projektdauer im
Blick. Aber wir wollten auch den einzelnen Menschen Zeit geben, um reflektieren
und sich entwickeln zu können.
Wir wollten mit diesem Projekt modellhaft neue Wege
gehen, um Lösungen zu finden, die auch für andere Betriebsräte von Bedeutung
sein könnten. Dabei hatten wir nicht nur Betriebsräte aus Großunternehmen in
der Metallindustrie im Blick, sondern ganz bewusst auch Gremien aus kleineren
und mittleren Betrieben.
Damit hatte dieses Projekt für uns als Betriebsrat
bei VW in Emden und für die IG Metall der Verwaltungsstelle in Emden eine
herausragende Bedeutung. Das dieses möglich war, verdanken wir in erster Linie
der Hans-Böckler-Stiftung, die dieses zweieinhalbjährige Projekt gefördert hat.
Dies ist deshalb besonders hervorzuheben, da es sich seitens der Stiftung auch
um einen erheblichen Vertrauensvorschuss gegenüber den Projektverantwortlichen
handelte.
Dieses Projekt war zudem in dieser Form möglich, da
Volkswagen seinen Teil dazu beigetragen hat und damit unter Beweis gestellt
hat, dass die Mitbestimmung auch in dieser Form in diesem Unternehmen gelebt
werden kann. Wir möchten uns darüber hinaus bei allen Mitgliedern des Beirates
bedanken, die mit ihren Anregungen und ihrer konstruktiven Kritik das Projekt
in einem besonderem Maße voran gebracht haben. Bedanken wollen wir uns auch bei
allen, die in irgendeiner Form dieses Projekt unterstützt haben, ob im Rahmen
der Betriebsrätekonferenz, in Gesprächen oder in der Mitarbeit in
Arbeitsgruppen. Und wir möchten uns bei Dr. Klaus-Stephan Otto und seinem Team
für die unermüdliche Arbeit bedanken, die uns zu jeder Zeit durch ein sehr
erfolgreiches Projekt geführt haben.
Peter Jacobs
(Betriebsratsvorsitzender)
Martin Refle (Vorsitzender der IG
Metall-Fraktion)
Herta Everwien (Vorsitzende der
Vertrauenskörperleitung)
Wilfried Alberts (Erster Bevollmächtigter
der IG Metall in Emden)
Ein gutes
Projekt erreicht seine Ziele nicht. So lautete ein provokanter Leitsatz der
Projektleitung für die prozessoffene Vorgehensweise im Projekt „Mit System zum
Erfolg“, bei der Ziele immer wieder an neue Erfordernisse angepasst werden
müssen. Und doch wurden im Projekt ganz beachtliche Ziele gesetzt und auch
erreicht. Der Projektprozess, die Vorgehensweise und die Ergebnisse werden in
diesem Bericht dargestellt.
Der Betriebsrat des Volkswagen-Werkes Emden hat
schon vor dem Projektbeginn 2007 sehr gute Arbeit geleistet und eine hohe
Unterstützung der Belegschaft erfahren. Aus dieser Stärke heraus beschloss der
Betriebsrat, sich einer Weiterentwicklung und einer begleiteten
Systematisierung der Arbeit zu stellen. Dank der Förderung der
Hans-Böckler-Stiftung und der Unterstützung durch die Volkswagen AG konnte
dieser Prozess über einen Zeitraum von über zweieinhalb Jahren begleitet und
gesteuert werden. Durch die verhältnismäßig lange Projektlaufzeit konnten
Themen längerfristig verfolgt, Prozesse implementiert und auch Täler durchschritten werden, um zu neuen
Höhen zu gelangen.
Das Ziel des Projektes war, die Arbeit des
Betriebsrates im VW-Werk Emden zu strukturieren und systematisieren, um es dem
Betriebsrat zu ermöglichen, den Herausforderungen moderner
Betriebsratstätigkeiten besser begegnen zu können. Die Ergebnisse des Projektes
sollten so aufbereitet werden, dass sie auch von Betriebsräten an anderen
Standorten und in anderen Branchen genutzt werden können.
Eine der größten Stärken des Projektes war das Bearbeiten
von so genannten harten und weichen Themen. So wurde einerseits die
Systematisierung der Betriebsratsarbeit aufgegriffen, andererseits wurden Tabuthemen
thematisiert, wie z.B. Führen und geführt werden im Betriebsrat.
Vier inhaltliche Themenfelder haben sich im Laufe
der Arbeit herausgebildet: Strategiearbeit, erfolgreich Verändern, Führung,
zusammen mit Personalentwicklung und Qualifizierung der Betriebsräte sowie das
Thema Kommunikation im Betriebsrat und mit der Belegschaft. Diese Themen und
ihre Relevanz für die Betriebsratsarbeit werden in Abbildung 1 dargestellt. Bestimmte
gut funktionierende Prozesse, wie z.B. die jeweilige konkrete Interessenvertretung,
wurden nicht aktiv bearbeitet, anstelle dessen wurden jene Prozesse bearbeitet,
bei denen ein stärkerer Handlungsbedarf identifiziert wurde.
Abbildung
1
Die vier bearbeiteten Themenfelder im Projekt
Die vier behandelten Themenfelder stellen relevante
Handlungsfelder für eine nachhaltige Betriebsratsarbeit dar. Dies bedeutet,
dass der Betriebsrat in die Lage versetzt wird, die folgenden Merkmale einer
nachhaltigen Betriebsratsarbeit zu bearbeiten:
· Nachhaltigkeit
hinsichtlich Produkten, Produktionsmethoden und Produktressourcen (z.B.
bezüglich „grüne Fabrik“, siehe Kapitel 6.2)
· Nachhaltigkeit in der
täglichen Arbeit, in Bezug auf eine langfristige Wirkung der Betriebsratsarbeit
· Nachhaltigkeit durch
langfristige Existenz des „Organismus“ Werk Emden Betriebsräte sind stärker
noch als das Management Garant für ein konsequentes Eintreten für die
Arbeitsplätze vor Ort
· Nachhaltigkeit als gesamtes
Politikkonzept (z.B. Einbindung in die Region und Entwicklung der Region)
Das Projekt ist seit Herbst 2009 offiziell abgeschlossen,
es ist aber wichtig, kontinuierlich weiterzuarbeiten und die Energie und die
Ergebnisse aus dem Projekt weiter in die Betriebsratsarbeit zu integrieren.
Das Projekt „Mit System zum Erfolg“ im Betriebsrat
VW Emden setzte sich zum Ziel, den Betriebsrat zu unterstützen, die
vielschichtigen Herausforderungen moderner Betriebsratsarbeit besser meistern
zu können. Im Prozess sollten Vorgehensweisen und Instrumente entwickelt
werden, die auch in anderen Betriebsräten Anwendung finden und die dortige
Arbeit unterstützen können. Insgesamt sollte dieses Projekt einen Teil zur
Stärkung der Mitbestimmung in Deutschland beitragen.
Das Arbeitsumfeld und die Anforderungen an
Betriebsräte haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Die Komplexität
der Veränderung von Mitbestimmungsarbeit macht es schwer, einen einzelnen
Ansatzpunkt zu finden, um wirkliche Verbesserungen in der Betriebsratarbeit zu
erreichen. Das Projekt hat daher versucht, an Fragen der Struktur, der
Kommunikation und der einzelnen Menschen im Betriebsrat an einer Reihe von
unterschiedlichen Punkten anzusetzen und dadurch insgesamt in der Verbesserung
der Arbeit des Betriebsrates voranzukommen. Durch die Vielfältigkeit der Themen
war es herausfordernd, die wichtigen Punkte herauszufiltern und den Überblick
zu behalten, welche Ziele zu welcher Zeit verfolgt werden müssen. Im Nachgang
können wir sagen, dass das Projekt an den richtigen Punkten ansetzte und
wertvolle Ergebnisse erzielen konnte. Das Projekt startete im April 2007, die
Projektarbeit endete im Dezember 2009. Dieser Bericht soll einen Überblick über
den Projektverlauf, die erzielten Ergebnisse und die Erfahrungen der
Beteiligten geben.
Die Vorgehensweise des Abschlussberichts orientiert
sich zunächst an der Ausgangslage und den Zielsetzungen aus dem Projektantrag,
die in den Kapiteln 1 und 2 beschrieben sind. Dort finden sich auch Ziele, die
im Laufe des Projektes hinzugekommen sind. Im darauf folgenden Kapitel 3 wird
ein Erklärungsmodell vorgestellt, das letztlich den „roten Faden“ für das
Projekt darstellt. Es verdeutlicht, warum in diesem Projekt vornehmlich an so
genannten „weichen“ Faktoren gearbeitet wurde und stellt zudem diese in einen
Zusammenhang. Die Kapitel 4 und 5 beschreiben die Projektstruktur und geben
einen Überblick über Phasen des Projektes und damit über den zeitlichen Ablauf.
Im 6. Kapitel werden vier Schwerpunkthemen analysiert, die sich auf Basis des
Erklärungsmodells entwickelt haben und so eine Fokussierung der Themen
ermöglichen. Die beiden abschließenden Kapitel 7 und 8 fassen verschieden
Einsichten zusammen. Hier geht es im Wesentlichen um die Perspektive: Ist es
einmal der Prozess, der im Blickpunkt steht, ist es das andere Mal der so
genannte evolutionäre Blick, der eine neue Sichtweise bietet. Hinzu kommen
Ergebnisse, die erst aus einer abschließenden Beurteilung sichtbar werden und
das, was beim nächsten Mal besser zu machen ist.
Zu erwähnen ist, dass dieses Projekt zusätzlich zu
den alltäglichen Arbeitsanforderungen stattfand und somit für einige
Projektteilnehmer eine erhebliche Zusatzbelastung darstellte. Deshalb bedanken
wir uns auch noch ausdrücklich bei all denjenigen, denen es ein Anliegen war,
sich zu beteiligen und diese zusätzliche Belastung auf sich zu nehmen.
Besonderer Dank gebührt der Hans-Böckler-Stiftung
dafür, dass sie die Fragestellung aufgenommen hat und dessen Bearbeiten so
langfristig unterstützt hat. Vielen Dank an Lothar Kamp für die inhaltliche und
organisatorische Betreuung des Projektes. Außerdem möchten wir uns bei dem
Beirat für seine wertvollen Anregungen bedanken. Das Projektteam dankt
weiterhin den Betriebsräten, der Leitung des Betriebsrates und dem
Vertrauenskörper der IG Metall für ihre intensive Mitarbeit und den anregenden,
oftmals durchaus auch kritischen Diskussionsbeiträgen. Wir danken auch der
Volkswagen AG für die Unterstützung des Projektes.
Seit der Antragstellung des Projektes im Herbst
2006 blieb die gesetzliche Lage unverändert. Dennoch hat sich mit der Finanz-
und Wirtschaftskrise der Rahmen massiv gewandelt. Viele Betriebe und damit
Arbeitsplätze bleiben gefährdet. Der massenhafte Abbau von Arbeitsplätzen wurde
zwar durch den Einsatz von Kurzarbeit verhindert. Dennoch haben zunehmende
Liquiditätsengpässe viele Unternehmen, gerade mit Fortdauer der Krise bedroht.
Damit rückte die Beschäftigungssicherung als zentrales Thema in den Fokus der
Betriebsratsarbeit sowie in die öffentliche Diskussion.
Die Verfasser gehen davon aus, dass die Bedeutung
der Gewerkschaft und Betriebsräte in der öffentlichen Wahrnehmung zugenommen
hat: Als wichtiger Vertreter zur Wahrung grundlegender Interessen wie
Arbeitsplatzerhalt, aber auch als wichtiger Akteur für eine gerechte
Republik/Gesellschaft. Wichtige Impulse hierfür entstanden insbesondere aus der
Entwicklung bei Opel und der medialen Präsenz der Arbeitnehmervertreter in
diesem Zusammenhang.
Zudem bestand in gewerkschaftlichen Kreisen die
Befürchtung, dass erhebliche Veränderungen in der Frage der Mitbestimmung bzw.
der innerbetrieblichen Demokratisierung bevor stünden. So sind scheinbar wenig „spektakuläre“
Maßnahmen wie die Umdeutung des § 77 III BetrVG und des damit verbundenen
Günstigkeitsprinzips grundlegende Änderungen mit erheblichen Auswirkungen.
Bei VW spiegelte die Auseinandersetzung zwischen
Porsche und VW auch einen grundlegenden Konflikt um die Mitbestimmung bei
Volkswagen wider. Dieser ging mit der sinkenden Liquidität und der
verschlechterten Situation bei Porsche zugunsten von VW aus, während sich VW
gleichzeitig positiv entwickelt hatte. Wichtig ist, dass dies vor dem
Hintergrund einer starken Mitbestimmung bei VW geschah. Angesichts des Skandals
um Betriebsräte 2005 und seinen Nachwirkungen war dies nicht
selbstverständlich.
Der Konflikt um das VW-Gesetz mit der Garantie der
speziellen Rolle des Landes Niedersachsen spielte eine elementare Rolle. Es
konnte in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung ein neues Gesetz verabschiedet
werden, das aus dieser Sicht mit den Vorgaben des EuGH kompatibel ist. Bemerkenswert
war hierbei die Rolle der Bundesregierung: Sie hatte eine aktive Rolle zur
Erhaltung des Gesetzes eingenommen, für die auch die CDU und die
Bundeskanzlerin Angela Merkel stand. In der EU-Kommission und bei
arbeitgebernahen Interessenvertretern wurde dies anders beurteilt, so dass
weitere Auseinandersetzungen bevorstehen.
Im Gesamtbetriebsrat gab es das Ziel, Kapital an
die Belegschaft zu binden. Ohne eine Größenordnung festzulegen, wurde eine
Grundsatzvereinbarung mit den beiden Eigentümerfamilien Piёch und Porsche
dazu getroffen. In der Summe wurde mit den Anteilen des Landes Niedersachsen
eine Sperrminorität geschaffen, die dauerhaft die Mitbestimmung des
Gesamtbetriebsrates und der IG Metall garantieren soll. Ein erster wichtiger
Schritt war die Bestätigung wichtiger Verhandlungsergebnisse zwischen Porsche
und Volkswagen sowie mit den Familien Piёch und Porsche in die Satzung
des Volkswagen-Konzerns. Dabei ging es in erster Linie um die höhere Quotierung
von grundlegenden Entscheidungen wie Standortschließungen. Danach sind
mindestens 80 Prozent notwendig (in anderen Aktiengesellschaften 75 Prozent).
Zudem wurden zwei Vertreter der jeweiligen niedersächsischen Landesregierung in
den Aufsichtsrat festgeschrieben. Niedersachsen wurde als wichtiger strategisch
denkender Partner verstanden, der hinsichtlich der Beschäftigung größere
Gemeinsamkeiten mit der Arbeitnehmervertretung hat.
Dies glückte auf Basis einer enormen Beteiligung
der Belegschaften. Alleine bei der zentralen Kundgebung für das VW-Gesetz am
Konzernsitz hatten sich über 40.000 Menschen beteiligt. Hinzu kam eine
eingereichte Petition beim Bundestag, die von über 150.000 Menschen
unterzeichnet wurde. Dieses Engagement zeigt, dass diese Auseinandersetzung
nicht nur eine Auseinandersetzung der Betriebsräte und Vorstände war, sondern gesamte
Belegschaften und Familien erfasst hatte. Damit gab es gerade für die
Betriebsräte bei Volkswagen enormen Rückenwind, um diesen Konflikt erfolgreich
bewältigen zu können.
Mit dem Wechsel im Vorstand von Pischetsrieder/Bernhard
zu Winterkorn gab es eine deutliche Beruhigung hinsichtlich der Mitbestimmung.
So hatte insbesondere das ehemalige Vorstandsmitglied Bernhard mit seinen
Drohungen, traditionelle VW-Werke zu schließen oder den Konzernsitz aus Wolfsburg
zu verlagern zu erheblicher Unsicherheit und Unfrieden geführt. Dadurch gab es
starke Auseinandersetzungen mit der IG Metall und den Betriebsräten, die zu
einem zerrütteten Verhältnis der Sozialpartner führte und letztlich auch zur
Ablösung der beiden Vorstände beitrug. Der neue Vorstand hingegen akzeptierte
die Mitbestimmung und damit die Rolle des Betriebsrates. Gerade vor dem
Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen Volkswagen und Porsche verschaffte
sich die Arbeitnehmervertretung nicht nur eine vertraglich verbesserte
Situation (siehe oben), sondern auch erheblichen Respekt beim Vorstand.
Die Betriebsratsarbeit fand zu Beginn des Projekts
in einem erfolgreichen betrieblichen Umfeld statt. Nach Jahren
durchschnittlicher und bisweilen schlechter Kennzahlen (insbesondere in den
Hauptfeldern Stückzahl, Kosten und Qualität) konnte der Standort Emden glänzen.
Zudem setzt sich die Werkleitung im Sinne der Beschäftigungssicherung und der
Region ein. Damit gab es trotz „natürlicher“ Konflikte mit dem Betriebsrat,
beispielsweise bei dem Thema Rationalisierung, eine wichtige gemeinsame Basis.
Nach einem viertel Jahr änderte sich die
Konstellation. Ein Wechsel des Werkleiters stand beispielhaft für den Wechsel,
der auf mehreren Ebenen des Managements stattfand. Der Betriebsrat wurde quasi
zur Konstante hinsichtlich der Werkssteuerung. Diese Zunahme an Steuerungsfunktionen
des Betriebsrats hat seine Basis in der ausgeweiteten Mitbestimmung bei
Volkswagen, aber auch in dem sehr häufigen Wechsel im Emder Management.
Zeitgleich verschlechterten sich wichtige Zahlen
der Fabrik, so dass der Standort seitens der Zentrale zunehmend kritisch
beurteilt wurde. In 2007 begann die Produktion des dritten Modells, des Coupés.
Gleichzeitig ging der Anteil der zu bauenden Limousinen-Fahrzeuge zurück. In
der Folge wurde das Thema Beschäftigungssicherung wieder in den Mittelpunkt
gerückt. Denn immer deutlicher wurde, dass sich trotz des Tarifvertrages zur
Beschäftigungssicherung, ein Personalüberhang für Emden entwickeln würde. So
errechnete der Vorstand für 2010 einen durchschnittlichen Überhang von über 700
Beschäftigten. Für 2012 war sogar von über 1.200 Beschäftigten die Rede.
Gleichzeitig zeigte sich, dass die Wirtschaftskrise
auch Volkswagen erreicht hatte. Insbesondere Standorte wie Emden wurden
erfasst, da die so genannte Abwrackprämie den Absatz größerer Fahrzeuge wie den
Passat kaum beeinflusst hatte. 2009 stellte sich heraus, dass der Standort mit
„einem blauen Auge“ davon gekommen ist. Mit acht Kurzarbeitstagen blieb die
Anzahl niedrig, gleichzeitig gab es Samstagsschichten im Juni, August und
November. Diese stark wechselnde Situation, war für viele Werksangehörige nur
noch schwer nachzuvollziehen. Der Betriebsrat stand vor diesem Hintergrund vor
einer schwierigen kommunikativen Aufgabe.
Für die Belegschaften war das Krisenjahr 2009 nur
schwer zu begreifen: Tariferhöhungen, Rekordbonus, garantierte Übernahme für
die Ausgebildeten sowie eine Altersteilzeitregelung, die alle wegfallenden
staatlichen Zuschüsse kompensierte, ließen alles andere als Krisenstimmung
aufkommen.
Der Betriebsrat hatte zu Projektbeginn folgende
Struktur: Von den 37 Betriebsräten gehören 32 zur IG Metall-Fraktion (IGM), 4
zur Gemeinschaft Ehrlicher Metaller (GEM) und einer zur Christlichen
Gewerkschaft Metall (CGM). Im Laufe der Legislaturperiode wechselte ein
Mitglied der GEM zur IG Metall-Fraktion, so dass diese auf 33 Betriebsräte
anwuchs (siehe Abbildung 2). Bei Volkswagen sind alle Betriebsräte von der übrigen
betrieblichen Arbeit freigestellt.
Abbildung
2
Fraktionen im Betriebsrat, VW Emden, Stand: Januar 2010
Der Emder Betriebsrat ist über den Standort hinaus
in die Konzernstrukturen eingebunden. Damit ist er an vielen
standortübergreifenden Gremien beteiligt: Dies gilt einerseits für den Konzern-
und Weltbetriebsrat, die alle Marken und deren Vertretungen umfassen sowie für
die Gesamtbetriebsratsstrukturen, die nur für die Marke Volkswagen und die
Marke VW Nutzfahrzeuge zuständig sind. Auf der Gesamtbetriebsratsebene sind
nicht nur die Vorsitzenden des Betriebsrates tätig, sondern auch die
Vorsitzenden einiger Fachausschüsse aus Emden.
Die IG Metall-Fraktion hatte sich in vier Bereiche
organisiert, die an die Unternehmensstruktur angelehnt sind. In den vier
Bereichen bzw. Cost-Centern wird die Arbeit mit 29 Betriebsräten vor Ort in den
Werkshallen durchgeführt und wird durch vier zentral eingesetzte Betriebsräte ergänzt.
Die zentrale Vertretung besteht aus dem Betriebsratsvorsitzenden, seinem
Stellvertreter, dem Vorsitzenden der IG Metall-Fraktion und dem Vorsitzenden
des Ausschusses für Entgelt. Sie werden unterstützt durch einen Geschäftsführer
und zwei Referenten sowie das Sekretariat.
In elf Fachausschüssen werden die Fachaufgaben
abgearbeitet. In diesen Fachausschüssen sind auch die anderen Fraktionen
vertreten. In Form von Arbeitsgruppen wurden bereits vor dem Projekt erste
Schritte zur Projektarbeit unternommen.
In den folgenden beiden Grafiken wird zum einen (Abbildung
3) die gesetzliche „Basisstruktur“ und zum anderen (Abbildung 4) die erweiterte
Situation in Emden dargestellt
Abbildung
3
Die gesetzliche Basisstrukur (der Betriebsausschuss/Betriebsrat bildet
Fachausschüsse)
In der Abbildung 4 wird die Struktur in Emden
gezeigt. Dort gibt es einen erweiterten Betriebsausschuss, in dem zusätzlich
die IG Metall, die Vertrauenskörperleitung und die Referenten eingebunden sind.
Zu sehen sind unterhalb des Betriebsausschusses die Bereiche, die die
Cost-Center-Strukturen des Werkes abbilden. In diese vier Bereiche sind die
einstigen Angestellten-Betriebsräte integriert worden. Der Integrationsprozess
der Angestellten ist inzwischen abgeschlossen. Für die Bearbeitung spezieller
Themen der Beschäftigten mit „Angestellten-Tätigkeiten“ existiert ein eigener
Ausschuss.
Abbildung
4
Struktur der Betriebsratsarbeit in Emden
Die Arbeit des Betriebsrates hatte zu Projektbeginn
folgende Merkmale:
Es gab keinen durchgehenden strategischen Prozess
verstanden als eine systematische Darstellung der langfristigen Vorgehensweise
des Betriebsrates in der Fraktion / dem Betriebsrat. Zwar hatten zentral
eingesetzte Betriebsräte strategisch gearbeitet, so wurden beispielsweise
wichtige Erfolge wie das dritte Modell für das Werk Emden (Coupé) erst dadurch
möglich. Dennoch war dieser Prozess nicht durchgehend nach oben bzw. nach unten
eingebettet: Weder auf Gesamtbetriebsratsebene noch auf Ebene der Bereiche und
aller Fachausschüsse. Damit verbunden waren Probleme hinsichtlich der
Nachhaltigkeit der eigenen Arbeit. Es wurden Prozesse initiiert, die dann nicht
hinreichend überprüft wurden und in der Konsequenz nicht die gewünschten
Erfolge nach sich zogen. So wurden Instrumente wie Kennzahlen oder
Erfolgskriterien bis zum Projektbeginn nicht eingesetzt.
Es gab zudem keinen umfassenden Überblick über die
Prozesse der Betriebsratsarbeit, so dass in der Folge Parallelarbeiten
entstanden, die die Arbeit insgesamt ineffizienter werden ließen. Hinzu kam,
dass mit der Bündelung von Prozessen und damit auch von Ressourcen eine größere
Durchschlagskraft gegenüber dem Management möglich gewesen wäre. Eine weitere
Folge war der Mangel an klaren Zuständigkeiten. So hatten zum Beispiel mehrere
Ausschüsse und mehrere Bereiche angegeben, sich mit dem Thema Demografie
auseinanderzusetzen. Aber wer, mit welcher Kompetenz blieb ungeklärt. Das
bedeutete, dass bestimmte Themen wie Demografie nicht systematisch angegangen
wurden.
Grundsätzlich ist das Arbeiten mit standardisierten
Arbeitsprozessen in der Betriebsratsarbeit, die von allen in der gleichen Weise
durchgeführt werden, nur teilweise vorhanden gewesen. Inhaltlich hatten sowohl
die Bereiche als auch die Ausschüsse nur sehr bedingt derartige
Reglementierungen zugelassen. Das war umso weniger möglich, weil es auf
verschiedenen Ebenen Misstrauen gab. Zwischen den Bereichen, aber auch zwischen
den zentral eingesetzten Betriebsräten und den Bereichen hatte Misstrauen
gemeinsames Vorgehen gebremst. Auch technische, räumliche oder personelle
Ressourcen wurden nicht offen angesprochen, geschweige denn standardisiert.
Die Zeitstruktur hatte diese Situation weiter
verschärft: Plötzliche, oft durch das Management ausgelöste Termine, hatten wie
in einem Dominosystem Termine der Betriebsräte vor Ort immer wieder infrage
gestellt. Nicht selten mussten individuelle Zeitplanungen geändert werden, so
dass es in der Folge erhebliche Vorbehalte gegenüber der zentralen
Termingestaltung und Arbeitsweise gab.
Themen wie Qualifizierung und Personalentwicklung
wurden nur bedingt systematisch angegangen. Die Fachausschüsse hatten ihre
Mitglieder qualifiziert, viele Betriebsräte hatten regelmäßig an
Qualifizierungen teilgenommen, aber eine geplante und abgestimmte
Qualifizierungsmatrix gab es nicht. Personalentwicklung fand ebenfalls nur
bedingt statt. Es gab kein Anforderungsprofil, so dass an Betriebsratsarbeit
interessierte Kolleginnen und Kollegen sich nicht orientieren konnten. Es gab
teilweise Aussagen über inhaltliche Anforderungen, aber kaum definierte
Kriterien für überfachliche Dimensionen. Zudem gab es keine Aussagen, was denn
eine „Karriere als Betriebsrat“ für Möglichkeiten bietet und wohin die
jeweilige Reise hätte führen können. Karriereplanung als Betriebsrat ist zudem
ein Thema hinter verschlossener Tür gewesen.
Die interne Arbeitsweise des Betriebsrates ist
trotz insgesamt erfolgreicher Arbeit von Intransparenz, geringer Standardisierung,
zu geringer Strategiearbeit und zu wenig Nachhaltigkeit geprägt gewesen.
Dennoch wurde gute Arbeit geleistet und es wurden gute Ergebnisse erzielt. Die
insgesamt gute Betriebsratsarbeit wurde allerdings stark von den Leistungen Einzelner
geprägt. Großes Engagement und eine hohe Qualität der Arbeit Einzelner bzw.
kleiner Gruppen hatte andere Schwächen ausgeglichen. Dies führte zu einer
starken Belastung von Gremien sowie einzelner Betriebsräte. Damit hatte das
System Betriebsrat funktioniert, war aber hinsichtlich seiner dauerhaften
Belastungsfähigkeit anfällig. Zudem bekamen die „Leistungsträger“ zunehmend
Probleme, die anderen Betriebsräte „mitzunehmen“. Die Gefahr eines „sich
Entfernens“ voneinander nahm damit erheblich zu. Darüber hinaus stellte die
einseitige Belastung Einzelner teilweise auch ein gesundheitliches Problem dar:
Hohe Verantwortung, Termindruck und Konflikte führten zu einer erheblichen
Beanspruchung.
Zwischen den Fraktionen war das Verhältnis,
insbesondere zwischen der IG Metall und der „Gemeinschaft Ehrlicher Metaller“,
sehr problematisch. Viele Konflikte und letztlich häufige Termine beim
Arbeitsgericht kennzeichneten das angespannte Verhältnis, das von großem
gegenseitigem Misstrauen geprägt war.
Auffallend sind die großen Bildungs- und
Qualifikationsunterschiede innerhalb des Betriebsrates. Mit diesen Unterschieden
ist nicht immer leicht umzugehen. Das Problem betrifft zum Beispiel die Bereitschaft,
sich mit längeren Texten auseinanderzusetzen, den IT-Umgang oder auch die Kenntnis
komplexer wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Sachverhalte. Dies ist
der Fall bei einer gleichzeitig vorhandenen hohen intuitiven Kompetenz, die
Voraussetzung ist, um als Betriebsrat gewählt zu werden.
Festzuhalten ist noch, dass im Vergleich zu anderen
Betriebsräten, dem Betriebsrat bei Volkswagen eine Reihe von Ressourcen zur
Verfügung stehen (Freistellung aller Betriebsräte, Referenten), die gerade bei
kleineren und mittleren Betriebe nicht denkbar sind.
Laut Projektantrag sollte das Projekt
Strukturiertes Arbeiten Interessenvertretungen eine praktische Hilfe zur
Bewältigung ihrer Aufgaben geben. Aktuelle Betriebsratsarbeit wird in einem
sehr schwierigen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Umfeld geführt. Durch
die Zunahme der Geschwindigkeit wirtschaftlicher Prozesse nimmt der Druck auf
die Gremien und einzelne Personen ständig zu. Betriebsräte sind aufgefordert
immer schneller Antworten und Stellungnahmen zu hochkomplexen Fragestellungen
abzugeben. In der Folge droht die Gefahr, dass Interessenvertretungen mit dem
Rücken zur Wand stehen und auch die Arbeitsfähigkeit und das Wohlergehen
einzelner Mitglieder gefährdet sind. Mit der häufigen Konsequenz, dass
Betriebsräte zunehmend in reagierende Handlungsmuster verfallen und nicht mehr
ausreichend in der Lage sind, ihren Themen und damit ihrer Arbeit in einem
proaktiven Sinne nachzugehen. Damit einher geht der drohende Verlust der
Akzeptanz bei der Belegschaft und der Möglichkeit, eigene Lösungen für
schwierige Fragen zu entwickeln. Es wird beispielsweise immer schwieriger, Auslagerungs“lösungen“
des Managements mit adäquaten Fragen zu begegnen, geschweige denn alternative
Szenarien zu entwickeln.
Wir wollten mit dem Projekt „Strukturiertes
Arbeiten“ Wege und Instrumente entwickeln, die Betriebsräten neue
Handlungschancen aufzeigen. So sollte das tägliche (überwiegende)
„Fire-Fighting“ relativiert und in ein strategiegeleitetes Gesamtkonzept und
–handeln eingebettet werden.
Die Erarbeitung von Strategien und das Kartieren
der Betriebsrats-Arbeit hatten in der Projektplanung einen zentralen
Stellenwert. Aufbauend auf einer vorangegangenen Analyse sollten strategische
Ziele und Konzepte erarbeitet werden.
Dabei sind für das Projekt die folgenden Fragen im
Antrag festgelegt worden:
Ø
Welche Eigenschaften und Fähigkeiten hat ein idealtypisches Betriebsrat-Gremium?
Ø
Wie sehen seine optimierten Strukturen aus?
Ø
Mit welchen Instrumenten gewährleistet er eine effektive Arbeit im Sinne
der Mitarbeiter?
Ø
Welche Fähigkeiten, Eigenschaften und Qualifikationen benötigt ein
moderner Betriebsrat?
Im Projektantrag formulierten wir bereits, dass ein
multifunktionaler Ansatz gewählt werden sollte, um den ganzheitlichen
Ansprüchen des Projektes gerecht zu werden. Anstelle von Einzelmaßnahmen,
-instrumenten und -ansatzpunkten, wollten wir den Betriebsrat VW Emden als
Ganzes unterstützen, mit den Herausforderungen moderner Betriebsratsarbeit
effektiv umzugehen. Dazu sollte die tägliche Arbeit des Betriebsrates mit einer
Personal- und Organisationsentwicklung verbunden werden.
Die Prüfung und Weiterentwicklung der bisherigen
Strukturen und die Unterstützung nachhaltiger Arbeit durch die Entwicklung
eines Controlling Systems mit Hilfe von Kennzahlen und Erfolgskriterien gehört
zu diesen Zielen. Ein vorangestellter Strategieprozess sollte zur
Entwicklungssteuerung beitragen. Die Kommunikation in und von dem Betriebsrat
sollte geprüft und ggf. optimiert werden. Mit der Befähigung der Mitglieder des
Betriebsrates prozesshaft vorzugehen und zu lernen, sollte die
Veränderungskompetenz des Betriebsrates als Ganzes gesteigert werden.
Ziel des Projektes war weiterhin, vielfältige
Instrumente zu entwickeln, die für Betriebsräte und Interessenvertretungen in
anderen Unternehmen und Organisationen anwendbar seien. Diese würden den
Betriebsräten in Form eines Handbuches verfügbar gemacht werden.
Im Laufe des Projektes hat sich gezeigt, dass die
Einführung einer Balanced Scorecard ein geeignetes Mittel für die
Kennzahlendarstellung und –überprüfung ist. Im Prozess wurde deutlich,
dass die BSC nach Ihrer Einführung besonders als Überprüfungstool der
Strategieorganisation verwendet wird.
Wikipedia definiert die Balanced Scorecard (BSC) folgendermaßen: Die BSC ist ein Konzept zur Dokumentation der Ergebnisse aus Messungen der Aktivitäten eines Unternehmens im Hinblick auf seine Vision und Strategien, um Führungskräften einen umfassenden Überblick über die Leistungsfähigkeit und Effektivität der Organisation zu bieten. Die BSC fokussiert nicht nur auf die Finanzperspektive, sondern beinhaltet auch die menschlichen Aspekte, die die Treiber für die Ergebnisse sind, so dass sich die Organisation auf ihre Zukunft und langfristigen Interessen konzentriert. Aufgrund ihrer flexiblen und damit umfassenden Gestaltungsmöglichkeit kann die Balanced Scorecard ein wichtiger Teil eines integrierten Managementsystems sein.
Im Rahmen der Vorbereitung des Projektes wurden in
einer Voruntersuchung und in Abstimmung mit den Beteiligten die im
Projektantrag dargestellten Ziele zusammengestellt. Die folgenden Ziele wurden
festgelegt:
Ø
„Entwicklung einer effizienten und hochwertigen Mitbestimmung im Spannungsfeld
von Wirtschaftlichkeit, sozialer Balance und Demokratie
Ø
Kartierung der Betriebsratsrbeit mit Erstellung eines Überblicks über
die Arbeitsfelder sowie einer Sammlung sinnvoller übertragbarer Kennzahlen und
Erfolgskriterien
Ø
Durchführung und Evaluation eines Strategieprozesses auf der Basis eines
Kennzahlensystems
Ø
Entwicklung von Instrumenten, die ein strukturiertes Arbeiten des Betriebsrats
unterstützen
Ø
Entwicklung eines Handbuchs, das die Instrumente auch in anderen Betriebsräten
anwendbar macht
Ø
Durchführung von Personal- und Teamentwicklungen zur Förderung des prozesshaften
Lernens
Ø
Verbesserung der Zusammenarbeit mit den Vertrauensleuten
Ø
Einführung eines Dokumenten- und Wissensmanagements für Betriebsräte
Im Laufe des Projektes kamen aber weitere Ziele
hinzu, bzw. es wurde die Bedeutung der ursprünglichen Ziele an einigen Punkten
verändert. Dieses Prinzip eines evolutionären Projektmanagements werden wir im
nächsten Kapitel genauer erläutern.
Im Verlauf des Projektes ergaben sich eine Reihe
von weiteren Zielen, die in der ursprünglichen Projektplanung so nicht
vorgesehen waren bzw. diese konkretisierten. Sie ergaben sich aus den Befragungen
der Betriebsrat-Mitglieder zu ihrer Arbeit und im Rahmen der Umsetzung der
ursprünglich geplanten Projektziele. Die neuen Ziele wurden in die
Projektarbeit integriert:
Ø
Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen im Betriebsrat verbessern,
Arbeitsgerichtsprozesse zwischen den Fraktionen verhindern
Ø
Zusammenarbeit zwischen den zentral eingesetzten Betriebsräten und den Betriebsräten
in den Bereichen verbessern sowie zwischen den Bereichen untereinander
Ø
Zeit schaffen für die Arbeit vor Ort durch Verlässlichkeit und
Transparenz der zentralen Termine
Ø
Verstärken und etablieren von Projektarbeit
Ø
Veränderungskompetenz der Betriebsräte verbessern
Ø
Stärkung der Arbeit der Betriebsräte vor Ort
Ø
Verbesserung der technischen Ausstattung der dezentralen
Betriebsratsarbeit
Ø
Nachhaltige Betriebsratsarbeit durchführen
Ø
Führung in der Betriebsratsarbeit definieren und gewährleisten
Ø
Unterstützungsinstrumente bei individueller Überforderung einzelner
Betriebsräte entwickeln
Auf der Betriebsrätekonferenz der
Hans-Böckler-Stiftung zum Projekt im Herbst 2009 stellten die Teilnehmer
Tabuthemen zusammen, die in der Betriebsrätearbeit weiterhin vorherrschen und die
nicht adäquat thematisiert werden (siehe Abbildung 5). Eine Reihe dieser Themen
wurden im Projekt bearbeitet, so z.B. bei der Bearbeitung der persönlichen
Überlastung, der Erneuerung der Betriebsratsstrukturen und bei der Bearbeitung
der Teamzusammenarbeit.
Tabuthemen der Betriebsratsarbeit
Abbildung
5
Tabuthemen der Betriebsratsarbeit
[Verknüpfung zu (Ø) Handbuch (HB) Kap. 2.1: Übersichtsmodell, die
dynamische Rolle des Betriebsrates]
Die praktische Betriebsratsarbeit, mit ihren
Strukturen, persönlichen Entwicklungen und in ihrem Zusammenwirken ist sehr
komplex. Daher entwickelten wir in der zweiten Projekthälfte ein
Erklärungsmodell, um den Veränderungsbedarf und die Aufgaben des Betriebsrates
besser verstehen zu können. Dies wurde von allen als außerordentlich hilfreich
angesehen, da dadurch bestimmte persönliche Belastungen erklärbarer wurden,
aber auch eine langfristige Orientierung geboten wurde.
Danach erfüllt der Betriebsrat seine Aufgaben gemäß
des Betriebsverfassungs- und Mitbestimmungsgesetzes. Er vertritt mit seiner
Tätigkeit die Interessen der Mitarbeiter des Unternehmens. Ein Unternehmen ist
für uns keine Maschine, sondern ein komplexes lebendes System, ein Organismus.
Der Betriebsrat setzt sich für den langfristigen Erhalt dieses „Organismus“
Unternehmen ein.
Nach unserer Auffassung braucht ein erfolgreiches
Unternehmen auch eine Unternehmensführung, die für das langfristige Überleben
des Unternehmens eintritt. Aber das ist heute leider nicht selbstverständlich,
besonders in nicht eigentümergeführten Unternehmen.
Wenn die Unternehmensführung vor allem die
Rendite-Interessen der Shareholder vertritt, ist es besonders die Aufgabe des Betriebsrates
sich für das langfristige Überleben einzusetzen.
Rollenklarheit ist die Voraussetzung für ein
solches erfolgreiches Handeln des Betriebsrates. Dieses Erklärungsmodell
unterstützt die Positionierung des Betriebsrates von VW Emden.
Der Betriebsrat kann sich in seinem Feld
verschieden positionieren: Abbildung 6 zeigt einen Betriebsrat, der zu nah an
der Belegschaft ist und dadurch seine Rolle als Mittler für die Absicherung des
langfristigen Erhalts des Unternehmens nicht ausreichend wahrnimmt. Es besteht
die Gefahr, dass er sich opportunistisch bzw. kurzsichtig gegenüber der
Belegschaft verhält und bestimmte eventuell auch unangenehme Schritte, die für
den langfristigen Erhalt des Unternehmens notwendig sind, nicht geht.
Abbildung 7 zeigt einen Betriebsrat, der zu stark
Co-Management Funktionen übernimmt und dadurch zu nah am Vorstand ist. Dadurch
gerät er in die Gefahr, nicht mehr genug die Interessen der Belegschaft zu
vertreten.
Abbildung 8 zeigt einen aus unserer Sicht idealen Betriebsrat,
der eine dynamische Rolle einnimmt und dadurch in der Lage ist, als
Interessenvertretung sowie Vermittler und Vertreter für den langfristigen
Erhalt des Unternehmens zu agieren. Dieses Bewegungsfeld ist leicht gemustert
gekennzeichnet. Der Betriebsrat geht nicht in der Belegschaft auf, in
bestimmten Fragen muss er auch bereit sein, einen Konflikt mit Teilen der
Belegschaft einzugehen, um den langfristigen Erhalt des Unternehmens
abzusichern. Dies kann aber einer der Gründe für die hohe psychische Belastung
von Betriebsräten sein, da sie mit denen in einen Konflikt gehen müssen, die
sie gewählt haben.
Anmerkung: Diese Grafiken
beziehen sich auf Strukturen im VW-Konzern. In anderen Unternehmen, können
andere Strukturen vorherrschen.
Die dynamische Rolle, wie sie in Abbildung 8 dargestellt
wird, kann eingenommen werden, wenn die Betriebsratsmitglieder ein klares
Rollenverständnis haben. Dazu gehört in diesem Fall auch das Bekenntnis, ein
Betriebsrat der IGM zu sein und sich als Konstante zu verstehen, die sich für
den langfristigen und nachhaltigen Erhalt des Unternehmens einsetzt.
[ØHB Kap. 1 „Vier Aufgabenfelder des Betriebsrates – der rote Faden
für Betriebsräte]
Veränderungen in einem solchen großen Gremium brauchen
ihre Zeit. Im Verlaufe des Projektes bildete sich eine Begrifflichkeit heraus
für das, worum es uns in diesem Projekt geht: nachhaltige Betriebsratsarbeit.
Was bedeutet Nachhaltigkeit
Abbildung 9
Die drei Säulen der Nachhaltigkeit
Grundsätzlich
wird eine nachhaltige Entwicklung definiert „... als eine Entwicklung, die die
Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen
ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ (Voss, G., 1994, Sustainable
Development: Leitziel auf dem Weg in das 21. Jhrd., Köln, S. 7.) Dieses Ziel
wird erreicht indem die drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales als Handlungsfelder
gleichberechtigt aufeinander abgestimmt werden, um der Menschheit auch
langfristig eine Lebensgrundlage gewährleisten zu können
Was bedeutet nachhaltige
Betriebsratsarbeit
Abbildung 10
Nachhaltige Betriebsratsarbeit
Die
obige Grafik verdeutlicht, dass nachhaltige Betriebsratsarbeit im Wesentlichen
auf vier Säulen beruht.
·
Nachhaltige Produkte / Produktressourcen / Produktionsmethoden (z.B.
bezüglich „grüne Fabrik“, siehe Abschlußbericht Kapitel 6.2)
·
Nachhaltigkeit in der täglichen Arbeit, in Bezug auf eine langfristige
Wirkung der Betriebsratsarbeit
·
Nachhaltigkeit durch langfristige Existenz des „Organismus“ Werk Emden Betriebsräte
sind stärker noch als das Management Garant für ein konsequentes Eintreten für
die Arbeitsplätze vor Ort
·
Nachhaltigkeit als Politikkonzept (z.B. Einbindung in die Region und
Entwicklung der Region)
Das
Fundament des Nachhaltigkeitskonzeptes für Betriebsräte im Projekt waren die
vier Aufgabenfelder (Strategie, Veränderung, Führung / Personalentwicklung /
Qualifikation, Kommunikation). Sie stehen im Fokus des Handbuches. Mit diesen
Instrumenten können Betriebsräte die Nachhaltigkeit ihrer Arbeit langfristig
beeinflussen, indem sie die vier Säulen stärken. Die vier Aufgabenfelder
beinhalten im zugehörigen Handbuch
Anleitungen, Werkzeuge, Checklisten, Analyseinstrumente, Beispielvorlagen,
Übersichtsmodelle und Leitlinien, die in der täglichen Arbeit angewandt werden
können. Sie helfen dabei, die Arbeit des Betriebsrates zu systematisieren und
sichern so den nachhaltigen Erfolg des Betriebsrates.
Veränderungen können dann langsamer sein, wenn sie
nachhaltig wirken. Schnelle Veränderungen, die nach kurzer Zeit wieder
umgestoßen werden, weil sie sich nicht bewährt haben oder nicht genügend
Unterstützung gefunden haben, kosten viel Energie, ohne dass sie viel bewirken.
Im Hintergrundmodell war das langfristige Überleben des Unternehmens mit seinen
Arbeitsplätzen das Ziel. Nachhaltige Betriebsratsarbeit stützt dieses Ziel, ist
aber selber auch mit seiner Vorgehensweise auf Langfristigkeit angelegt und
ordnet seine Arbeit in allgemeine Nachhaltigkeitsaspekte wirtschaftlichen
Handelns ein. So wurden in der Projektlaufzeit eine Reihe von Aktivitäten des Betriebsrats
durchgeführt, mit denen im Werk die Entwicklung hin zu einer grünen Fabrik
unterstützt wurde. Am spektakulärsten war die Gründung einer Genossenschaft der
Belegschaft, die für symbolische 1 € die Fabrikdächer mietete und darauf
Solarzellen installierte.
Historisch gesehen war es in der florierenden
Nachkriegswirtschaft Deutschlands die Aufgabe der Betriebsräte und der
Gewerkschaften im Betrieb und im Rahmen der Tarifpolitik, für eine gerechte
Verteilung der Erträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu sorgen und
humane Arbeitsbedingungen zu fördern. Im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung
(insbesondere der Globalisierung) sind neue Aufgabenfelder auf die Betriebsräte
zugekommen bzw. sind die Gewichtungen der einzelnen Aufgabenfelder verändert
worden, z.B. sind Betriebesräte inzwischen sehr stark für die Arbeitsplatzerhaltung
sowie für die Erhaltung erkämpfter Standards generell zuständig. Dies bedeutet
einen inhaltlichen und auch einen kulturellen Wandel für das Rollenverständnis
zeitgemäßer Betriebsräte. Daraus haben wir vier Felder identifiziert, die für
eine nachhaltige Betriebsratsarbeit bearbeitet werden müssen:
Ø
Strategiearbeit,
Ø
Erfolgreich verändern – neue Strukturen,
Ø
Führung/Personalentwicklung/Qualifizierung und
Ø
Kommunikation des Betriebsrates.
Erst die Entwicklung von Betriebsräten in diesen
vier Feldern ermöglicht aus unserer Sicht die erfolgreiche Umsetzung der
dynamischen Rolle wie sie in Abbildung 8 nachzuvollziehen ist. Aus diesem
Grunde werden die vier Felder im Kapitel 6 ausführlich entwickelt.
Betriebsräte werden in Zukunft schneller agieren
müssen. Dafür sind die traditionellen Gremienstrukturen nur noch bedingt in der
Lage, da sie inhaltlich langfristig festgelegt sind und auf Grund aktueller
Anforderungen schwer zu verändern sind. Projekte und Arbeitsgruppen sind in
ihrer Arbeitsstruktur flexibel und sie lassen eine schnelle Neuorganisation der
Beteiligten zu, unabhängig von dem jeweiligen Gremium, in dem sie außerhalb der
Projektstruktur tätig sind. Definitorisch lassen sich die folgenden
Unterscheidungen festhalten:
Ausschüsse: Der Betriebs- und der
Wirtschaftsausschuss sind im BetrVG festgeschriebene Institutionen des Betriebsrates.
Der Betriebsrat kann darüber hinaus weitere Ausschüsse bilden. Sie existieren
kontinuierlich und bearbeiten während der Legislaturperiode bestimmte
festgelegte Aufgaben.
Arbeitsgruppen: Sind in der Regel
zeitlich terminiert, haben einen Anfang und ein Ende und bearbeiten bestimmte
aktuelle konkrete Fragestellungen. Bei der Zusammensetzung sind alle Freiheiten
gegeben, es können auch ExpertInnen oder KollegInnen außerhalb des BR daran
teilnehmen.
Projekte/Projektgruppen: Projektthemen sind
gegenüber Arbeitsgruppenthemen sehr viel komplexer. Der Begriff sollte benutzt
werden, wenn eine eigene Projektstruktur aufgebaut wird (mit Steuerungsgruppe).
Sie haben auch einen Anfang und ein Ende und können auch von den Teilnehmern
her frei zusammengesetzt werden.
Die Komplexität der hier bearbeiteten Fragestellungen
machte eine Projektorganisation notwendig. Gleichzeitig sollte die projektmäßige
Arbeitsweise des Vorhabens die Teilnehmer auch für weitere Projekt- und
Arbeitsgruppenarbeit im Rahmen ihrer eigenen Betriebsratsarbeit schulen. Dies
ist im Großen und Ganzen gelungen, wenngleich man sagen muss, dass die
Beteiligung am Projekt durchaus in unterschiedlicher Intensität erfolgte.
Für die Hauptakteure des Projektes war deutlich,
dass das Projekt prozessoffen durchgeführt und Raum für evolutionäre
Veränderungen gegeben werden sollte. Im Projektantrag wurde formuliert, dass
zweierlei Strategien notwendig sind: „Zum einen brauchen Betriebsräte ein klar
strukturiertes Arbeitsfeld mit überprüfbaren Zielen und effektiven Gremien
sowie sie dabei unterstützende einfach handhabbare Instrumente, auf die schnell
zurückgegriffen werden kann. Zum anderen brauchen Betriebsräte die Fähigkeit,
flexibel zu agieren und prozesshaft zu denken. Nur in der Kombination von
klaren Standards und flexiblem Handeln kann Betriebsratsarbeit effektiv sein.“ Das
bedeutete, dass im Projektablauf, bestimmte Ziele zeitlich zurückgestellt
wurden, wenn die Energie in der Gruppe für die Umsetzung noch nicht vorhanden
war und andere Ziele für die Gruppe wichtiger wurden. Wir werden dies noch am
Beispiel der Weiterentwicklung der Strukturen deutlich machen. Als Lernprozess wurde
dann an anderen Punkten weitergearbeitet, bei denen eine höhere
Veränderungsbereitschaft vorzufinden war und auch neue Umsetzungsziele
vereinbart, die sich aus der laufenden Projektarbeit entwickelt hatten. Hier
wurde nach dem Grundsatz vorgegangen, dass man bestimmte Themen auch
„verbrennen“ kann, wenn man versucht sie „mit Gewalt“ umzusetzen.
Wie intensiv wir diese Vorgehensweise praktiziert
haben und dass diese aber auch eine offensive und transparente Erklärung
braucht, wurde erst vollständig beim ersten Beiratstreffen deutlich. Wir haben
ein, wie wir es nennen, „evolutionäres Projektmanagement“ betrieben. Beim
evolutionären Projektmanagement werden zunächst Ziele definiert. Nach einem
gewissen Zyklus werden die Ziele und Ausgangsbedingungen hinterfragt,
Veränderungen des Projektumfeldes aufgegriffen, bisherige Erfahrungen
eingebunden und die Ziele weiterentwickelt. Planung dient nicht der bedingungslosen
Umsetzung, sondern bietet Orientierung. Da sich nach einer gewissen
Projektlaufzeit die äußeren und inneren Bedingungen des Projektes verändern,
neue Chancen aber auch Risiken entstehen , müssen die Ziele angepasst, Aufgaben
ggf. gekürzt und andere neu hinzugenommen werden.
Wenn wir uns die Natur anschauen, verlaufen
evolutionäre Entwicklungen nicht linear in einseitigen Aufwärtsentwicklungen,
sondern häufig über Umwege, Sprünge oder Richtungsänderungen. Das gilt auch für
Entwicklungen in Organisationen und Projekten. Folglich wird im evolutionären
Projektmanagement das lineare Ursache-Wirkungs-Denken durch ein Denken in
Kreisläufen und Entwicklungsspiralen ersetzt (siehe Abbildung 11).
Abbildung
11
Projektmanagement in evolutionären Zyklen
Die detaillierte Planung des Projektes mit klaren
Teilzielen hat sich aber bewährt. Auch wenn man im Laufe des Projektes Ziele
verändert, braucht man am Anfang eine Zielplanung, die dann ständig angepasst werden
kann. Gerade bei prozessoffenen Projekten sind eine klare Struktur durch die
Führung und genaue Zielvorgaben wichtig.
Zum Start des Projektes wurde eine konkrete
Projektplanung durchgeführt. Außerdem wurden jedes Jahr Jahresplanungen für das
Projekt und für die Arbeit des Betriebsrats durchgeführt. Diese Planung wurde
visualisiert und sollte mit den wichtigsten Ereignissen auf einem DIN A4 Blatt visualisiert
werden.
Abbildung
12
Jahresplanung Projekt
Außerdem wurden Planungen auch mit der Methode „Mind
Map“ visualisiert. (siehe Abbildung 19 in Kapitel 6.1). In der ersten Phase des
Projektes wurde die Planung (z.B. Durchführung der vorgesehenen Analyseaufgaben)
gut eingehalten. Im weiteren Verlauf gab es dann erhebliche Verzögerungen am
Thema Strukturveränderung, da hier die Zeit noch nicht reif war und dieses
Thema in die Zeit nach dem offiziellen Projektende verlängert wurde. Ergänzend
kamen dadurch andere Themen wie die Optimierung der Arbeit in den Bereichen
dazu. Die Prozess-Planung des Projektes wurde weitestgehend eingehalten wie Abbildung
12 zeigt. Insgesamt kann gesagt werden, dass eine übersichtliche und
visualisierte Planung für die Betriebsratarbeit gerade auch zur Koordinierung
wichtig ist und es ist zu wünschen, dass eine solche Planung auch in die
Tagesarbeit des Betriebsrates in Emden übernommen wird.
Abbildung
13
Zeitliche Planung und Durchführung des Projektes
Mit Beginn des Projektes hatte das Projektteam eine
Projektfeldanalyse vorgenommen. Das Ziel dieser Analyse ist, zu prüfen, welche
Personen bzw. Institutionen das Projekt beeinflussen würden. Es war wichtig,
nicht nur Unterstützer ausfindig zu machen, sondern auch mögliche „Bremser“ zu
identifizieren.
Abbildung
14
Projektfeldanalyse
In der Abbildung 14 ist das Ergebnis einer
Projektfeldanalyse zu sehen, wie sie das Projektteam zu Beginn des Projektes
erarbeitet hatte. Dabei ging es zunächst darum, Akteure zu identifizieren, die
innerhalb des VW-Werkes Emden zu finden sind und das Projekt voraussichtlich in
irgendeiner Weise beeinflussen würden. Diese Beteiligten sind innerhalb des
Kreises zu finden. Das Maß des zu erwartenden Einflusses auf das Projekt
korrespondiert mit der Größe des in der Abbildung vorgenommenen Kreises. Im
blau gemusterten Kreis findet sich die Konzernebene mit Akteuren wie dem
Gesamtbetriebsausschuss wieder. Außerhalb dieses Kreises sind regionale und
überregionale Akteure und Institutionen abgebildet.
Die Projektbeteiligten hatten sich zum großen Teil
den Erwartungen entsprechend entwickelt. Jedoch war zu beobachten, dass
insbesondere hinsichtlich der Intensität des jeweiligen Einflusses die Realität
sich anders dargestellt hat. So ist rückblickend festzuhalten, dass diese
Analyse regelmäßig im Rahmen derartiger Projekte zu überprüfen ist. Dies sollte
in formalisierter Form (Anwendung von Tools, s. Handbuch) im Rahmen von
Controllingprozessen verankert werden.
Das Projekt hat sich zu Beginn folgende
Projektstruktur gegeben:
Abbildung
15
Ursprüngliche Projektstruktur
Es entwickelten sich Diskussionen, welche Struktur
vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Fraktionen organisiert werden sollte.
Dabei stellte sich schnell heraus, dass das bestehende Misstrauen zwischen den
Fraktionen nur begrenzt Schnittstellen zwischen den Fraktionen erlaubte. Alle drei
Fraktionen bestanden auf eigene Räume und wollten sich prozesshaft einer
weiteren Zusammenarbeit nähern.
Deswegen stellte sich die gelebte Projektstruktur
etwas anders dar, als in Abbildung 15 beschrieben, da die fraktionsübergreifende
Lenkungsgruppe nur wenig involviert war. Begründet ist dies in dem geringen
Interesse der beiden kleineren Fraktionen im Betriebsrat. Dort gab es vorrangig
das Interesse, den Umgang mit der IG Metall-Fraktion zu verändern. Eine
Weiterentwicklung der internen Struktur und Arbeit innerhalb der GEM und CGM
wurde durch deren Vertreter abgelehnt.
Die IG Metall-Fraktion hatte als
projektinitiierende Fraktion eine Struktur entwickelt, die die bisherigen
Strukturen aufnahm, um keine unnötigen Parallelstrukturen entstehen zu lassen (siehe
Abbildung 16). So sollte das in Grundsatzfragen richtungsweisende Lenkungsteam
mit dem geschäftsführenden Fraktionsvorstand identisch sein. Neu ins Leben
gerufen wurden das Projektteam und das daraus hervor gegangene Kernteam, das
für alle nicht-Grundsatzfragen zuständig war. Die Zusammensetzung des
Projektteams erfolgte auf Basis der Fabrikstruktur, so dass sich die einzelnen
„Bereiche“ dort wiederfanden. Das Kernteam bestand aus fünf Mitgliedern: dem
Vorsitzenden der IG Metall-Fraktion, der Leiterin des Vertrauenskörpers, einem
Betriebsausschussmitglied aus einem Fertigungsbereich sowie dem Projektleiter
und der externen Begleitung. Dort fanden wichtige Reflexionsprozesse statt, die
nur in kleineren Gruppen durchgeführt werden können.
Abbildung
16
Faktische Struktur
Die Projektstruktur erlaubte ein in der Größe und
damit auch in der Qualität abgestuftes Arbeiten. So konnte in kleinen Kreisen
gut vorbereitet werden, der Informationsfluss zwischen dem Kernteam und der
externen Projektleitung verlief ohne großen Aufwand, so dass auf diesem Wege
eine ständige Kommunikation erfolgen konnte.
Das Projektteam ermöglichte eine gute Verbreitung
in die gesamte Fraktion, während das Lenkungsteam nur zu grundlegenden Fragen
zusammenkommen brauchte.
Die Projektleitung hatten Dr. Klaus-Stephan Otto, Dr.
Otto Training & Consulting, sowie Ralf Behrens, Fachreferent des
Betriebsrates, gemeinsam durchgeführt. Mit der Verankerung der Projektleitung
gab es eine enge Anbindung des Projektes an die Betriebsratsspitze.
Die klare Strukturierung in Lenkungs-, Arbeits- und
Beteiligungsebene trug dazu bei, die Komplexität des Projektes gut reflektieren
und steuern zu können. Mit zunehmender Dauer und Intensität des Projektes
zeigte sich, dass diese Abstufung eine gute Balance aus Reflexion,
Vorbereitung, Abstimmung und Umsetzung bot. Die enge Verbindung der externen
und internen Projektleitung sowie die dadurch bedingte enge Anbindung an die zentral
eingesetzten Betriebsräte, sorgte für die notwendige Stabilität, um das Projekt
auch erfolgreich durch Krisenzeiten zu führen.
Der Beirat hat das Projekt zu drei Zeitpunkten
begleitet. Von ihm sind wichtige Impulse von anderen Betriebsräten und
Wissenschaftlern gekommen. So ist insbesondere die Diskussion um die
Ausschussstruktur mit Hilfe des Beirates vorangetrieben worden.
Aus den Erfahrungen im Projekt lassen sich einige Leitsätze
für komplexe Projekte in anderen Betriebsräten ableiten. Diese werden im
Übersichtkasten auf der Folgeseite dargestellt.
Leitsätze für komplexe Projekte im Betriebsrat - Prozessoffenes Arbeiten
braucht Struktur (Ziele, Organisation, Zeitpläne, regelmäßige
Reflexionstermine) - Je komplexer das
Projekt, umso klarer muss die Struktur sein - Klare Strukturierung in
Lenkungs-, Arbeits- und Beteiligungsebene - Bei größeren
Projektteams einen Kern zur Strukturierung, Vor- und Nachbereitung bilden - Parallelstrukturen vermeiden,
vorhandene Strukturen sinnvoll nutzen - Die Projektstruktur muss
an veränderte Bedingungen angepasst werden - Sich Raum/Zeit nehmen für
unterschiedliche Bereiche: Vor- und Nachbereitung, Beziehungsaufbau, Konfliktauseinandersetzung,
Reflexionen. - Krisen gehören zu jedem
guten Projekt. Sie sind nicht zu tabuisieren, sondern konstruktiv auszutragen,
um dadurch das Projekt weiter zu entwickeln. - Interne Projektleitung
braucht gute Anbindung an interne Organisation - Bei externer Begleitung
starkes Tandem gewährleisten zwischen interner und externer Projektleitung,
Zusammenarbeit reflektieren und weiterentwickeln |
Der Vorteil dieses Projektes war die lange
Laufzeit, die durch die Finanzierung der Hans-Böckler-Stiftung ermöglicht
wurde. Dadurch war es möglich, eine sehr komplexe Projektarbeit durchzuführen
und längerfristige Prozesse anzuschieben und sie über einen längeren Zeitraum
zu beobachten sowie zu gestalten. Im Folgenden wollen wir einen Kurzüberblick
über den Ablauf des Projektes in seinen verschiedenen Themen und mit seinen
unterschiedlichen Phasen geben.
Inhaltliche
Meilensteine
Ø Das Erklärungsmodell
(siehe Kapitel 3) gab dem Projekt den roten Faden und den theoretischen
Hintergrund für die einzelnen Projektelemente.
Ø Ein Zeitplan hat eine
verlässliche Struktur geschaffen, die insbesondere für die Bereichsarbeit und
für eine bessere Planbarkeit der eigenen Arbeit wichtig ist.
Ø Die Einführung von Handys
für Betriebsräte hat die Erreichbarkeit deutlich verbessert.
Ø Die Strategieentwicklung
in Verbindung mit dem wichtigen Werkssymposium mit dem VW-Vorstand war ein langer
Prozess mit einem bedeutsamen Höhepunkt.
Ø Die AG „Bereiche“ hat
Dauerkonflikte um Ressourcen entschärft/beigelegt.
Ø Als Voraussetzung für die
Nachhaltigkeit der Projektumsetzung wurden Kennzahlen und Erfolgskriterien festgelegt
und erhoben.
Ø Projektarbeit bzw.
Arbeitsgruppen wurden als Vorläufer einer Strukturdiskussion durchgeführt.
Ø „Führung“ im Betriebsrat wurde
als Thema formuliert, enttabuisiert und dadurch gestaltbar gemacht.
Projektvorphase
Bedarf
erfassen - Akzeptanz finden - Finanzierung sichern: 2005 - März 2007
Projekte starten in der Regel nicht mit dem
„offiziellen“ Projektbeginn, sondern mit einer Vorphase. Bei diesem Projekt
startete die Vorphase mit Interviews und einem Bericht vor der IGM-Fraktion im
Frühjahr 2005. Hier sollte geprüft werden, ob bei den Betriebsräten eine
Akzeptanz für die externen Berater vorhanden war, aber auch eine Voreinigung
auf die Inhalte eines möglichen Projektes und Fragen der Finanzierung erzielt
werden. Es zeichnete sich dann der Weg der Finanzierung über die
Hans-Böckler-Stiftung ab und es wurde ein ausführlicher Projektantrag
entwickelt, der im Juli 2006 gestellt wurde. Nach der Genehmigung durch die
Gremien startete das Projekt am 01.04.2007.
1. Phase
Analyse - Strukturaufbau
- Kartierung: April - Oktober 2007
In der ersten Phase wurden umfangreiche Befragungen
zur Arbeitsbelastung der Betriebsräte und zur Sitzungsgestaltung durchgeführt.
Gleichzeitig wurde die Projektstruktur mit Projektleitung, Projektteam mit Kern
und der Steuerungsgruppe aufgebaut. Es fanden umfassende Workshops zur
Kartierung der Betriebsratsarbeit statt, an deren Ende eine detaillierte
Dokumentation der Prozesse im Betriebsrat vorlag. Es wurde darauf geachtet,
Verbesserungen, die offensichtlich notwendig waren, sofort umzusetzen, so genannte
„Quick Wins“, um dadurch das Vertrauen in die Projekteffektivität zu erhöhen.
So wurden beispielsweise für alle Betriebsräte Handys angeschafft und damit die
Erreichbarkeit schlagartig erhöht. Diese Phase endete mit der ersten Klausur
der Fraktion, wo diese schnellen Ergebnisse vorgestellt wurden. Dort wurde auf
der Grundlage der Befragungsergebnisse eine neue Sitzungsstruktur
verabschiedet, die sich bis heute bewährt hat. Außerdem wurden aus der
Prozessanalyse jene Prozesse herausgearbeitet, bei denen der stärkste
Unterschied zwischen der Bedeutung des Prozesses für die Arbeit und der eingeschätzten
derzeitigen Qualität der Arbeit vorlag. Das waren die folgenden Prozesse:
- Personalentwicklung der Betriebsräte
- Fraktionssitzungen durchführen
- Organisation der Arbeit in den Bereichen
- Ohr an der Mannschaft haben
- Arbeitszeit regeln
Es
wurden Maßnahmen zur Verbesserung entwickelt, verabschiedet und umgesetzt.
2. Phase
Arbeit vor Ort
- AG „Bildung“ - Teamentwicklung: Oktober 2007 - März 2008
Auf der Basis dieser gemeinsamen Einschätzung
wurden auf der ersten Fraktionsklausur zwei Arbeitsgruppen gebildet, die in den
nächsten Monaten an der Optimierung der Arbeit vor Ort in den Bereichen und an
der internen Qualifizierung der Betriebsräte arbeiteten.
Die Teamentwicklungen für die vier Bereichsteams
Rohbau, Lack, Montagen 1 und Montagen 2 wurden durchgeführt. Es fanden
Begehungen und Workshops mit der externen Begleitung in den Bereichen statt.
Hintergrund war die Erkenntnis, dass das Projekt nicht erfolgreich sein konnte,
wenn nicht ein Schwerpunkt der Arbeit auf der konkreten Unterstützung der
Betriebsräte vor Ort läge. Ein Workshop beschäftigte sich mit der Verbesserung
der Kommunikationsfähigkeit der einzelnen Betriebsräte (siehe Kapitel 6.4 und
Handbuch).
3. Phase
Strategiearbeit
- Qualifizierung - Konfliktmoderation: April – Oktober 2008
Nach der Arbeit in den Bereichen wurde daraufhin
die systematische Strategieentwicklung für den gesamten Betriebsrat initiiert.
Diese wurde zentral vorbereitet und dabei auch die Strategieaktivitäten des GBR
einbezogen. Im Sommer wurden die Bereiche in den Strategieprozess integriert.
Außerdem wurde eine Konfliktmoderation zwischen den
Fraktionen im Betriebsrat - der IG Metall, den christlichen Gewerkschaftern CGM
und der GEM - durch die externe Begleitung begonnen.
Die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse wurden auf
einer Schulung im August 2008 an die Betriebsräte weitergegeben. Hier ging es
um die persönliche Kompetenzentwicklung bezüglich praktischer Fähigkeiten wie
Gesprächsführung, Kommunikation, Sitzungsleitung, Visualisierung und
Selbstmanagement.
4. Phase
Gender - Demografie
- Strukturentwicklung: Oktober 2008 bis Juni 2009
Auf der Fraktionsklausur im Oktober 2008 wurden die
Ausschüsse mit ihren Themen in die Strategiearbeit integriert. Es wurde
außerdem eine Arbeitsgruppe zum Thema Demografie gebildet. Es verstärkte sich
jetzt auch wieder die Bereitschaft, an das Thema Strukturweiterentwicklung und Überprüfung
der Ausschussstrukturen heranzugehen. Unter dem Motto „Zeitfresser“ wurde das
um die Leitung erweiterte Projektteam beauftragt, ineffiziente Arbeitsabläufe
zu identifizieren. Vor diesem Hintergrund begann schließlich eine intensive Diskussion
zur Struktur des Betriebsrates.
Anfang 2009 gab es eine Krise im Projekt. Es war
unklar, ob das Thema „Struktur“ wirklich angegangen werden sollte, oder ob dies
nicht wegen des starken Widerstandes zu gefährlich wäre. Frust machte sich
breit. Dann aber bildete sich eine Mehrheit, die sich für die Weiterbearbeitung
einsetzte. Im Frühjahr beschloss die Fraktion das Thema auf einer Klausur im Herbst
2009 weiter zu bearbeiten. Die Identifizierung von „Zeitfressern“ hat also wieder
Energie in den Prozess gebracht.
Ein erster Workshop „Gender“ fand im Mai 2008
statt. Im Januar 2009 wurde ein zweiter Workshop dazu durchgeführt.
Die Strategiearbeit wurde abgerundet durch die
Verabschiedung von Kennzahlen und Erfolgskriterien im Juni 2009 (ØHB Kap.
2.2 Beispielvorlage: Kennzahlen und Erfolgskriterien im Betriebsrat). Die Ergebnisse der Strategiearbeit waren hilfreich für das Auftreten
des Betriebsrates auf dem Werkssymposion mit dem VW-Vorstand.
5. Phase
Strukturdebatte
- Nachhaltigkeit - Projektabschluss: Juni - Dezember 2009
Im August 2009 führte das Projektteam seinen
Abschlussworkshop durch und legte fest, wie die Projektergebnisse langfristig
gesichert werden können. Auf der Betriebsrätetagung im September 2009 wurden die
Projektergebnisse anderen Betriebsräten vorgestellt. In der Vorbereitung hatten
sich die zuvor erwähnten vier Hauptaspekte der Projektarbeit
herauskristallisiert:
Ø
Strategiearbeit,
Ø
Erfolgreich verändern
– neue Strukturen,
Ø
Führung/Personalentwicklung/Qualifizierung
und
Ø
Kommunikation des
Betriebsrates.
Die Präsentation führte zu lebhaften Diskussionen
und vielen positiven Rückmeldungen. Im November 2009 fand dann eine sehr
kontroverse Klausur der Fraktion statt. Hier wurden neue Strukturmodelle
erarbeitet (siehe Kapitel 6.2).
Im Frühjahr 2010 soll in dem Zeitfenster zwischen
Betriebsrats-Wahl und Konstituierung des neuen Betriebsrates eine Entscheidung
für den neuen Betriebsrat vorbereitet werden. Zum Jahresende wurden
Projektbericht und Handbuch erstellt.
[ØHB Übersichtsmodell: Einsatzgebiet der 4-Felder]
[Ø HB Kap. 2: Strategie]
Strategiearbeit |
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Ausgangssituation / Probleme/ Stärken |
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● Strategisches Denken präsent à Beispiel Coupé |
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● Gewisse Systematik vorhanden, z.B. Zwischenbilanz |
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● Keine Strategiearbeit in den Bereichen |
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● Fehlende Transparenz bei Strategieentwicklung |
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● Strategie oftmals vom Alltag überholt |
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● Verlust von Systematik (Reaktives Handeln)
innerhalb der Wahlperiode |
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● Nachhaltigkeitsdefizite |
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● Keine Kennzahlen vorhanden |
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Ziele |
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Aus Projektantrag: ● Kartierung der Betriebsratsarbeit mit Erstellung
eines Überblicks über die Arbeitsfelder sowie einer Sammlung sinnvoller
übertragbarer Kennzahlen und Erfolgskriterien |
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● Durchführung und Evaluation eines Strategieprozesses
auf der Basis eines Kennzahlensystems |
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Im Projekt: ● Strategie aktiv und nachhaltig gestalten |
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● Transparenz über Strategie herstellen |
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● Einbindung in GBR-Strategie |
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Zielerreichung |
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● Strategieprozess
erfolgt: Integration der verschiedenen Ebenen > GBA >
Werkstrategie > Bereiche /Fachausschüsse |
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● Kennzahlen
und Erfolgskriterien festgelegt, z.B. : > Rotation
Bereichsbetriebsräte >
Moderationsqualifizierung >
Anzahl Infoveranstaltungen für VLs > Coaching für Betriebsräte ● Kartierung der Betriebsratsprozesse erfolgt |
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● Strategiedarstellung Mind Map |
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Weitere Ergebnisse |
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● Ebene Bereiche und Ausschüsse systematisch einbezogen |
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● Ablaufplan für Wahlperiode erstellt: >
kurzfristig ein Jahr >
mittelfristig Ende der Wahlperiode
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● Strategiepunkte auch langfristig (ca. 10
Jahre) erarbeitet |
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Wichtig für die Zukunft |
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● Jahresplanung Prozentfestlegung und Überprüfung
Strategie |
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● Monitoringprozess Kennzahlen |
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● Nach der Betriebsratswahl Festlegung neuer
Kennzahlen und Erfolgskriterien |
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Ausgangssituation,
Stärken und Probleme
Betriebsratsarbeit unterliegt immer der Gefahr, in
den Tagesaufgaben unterzugehen. Ein im Vergleich zu den Führungskräften relativ
kleines Gremium muss sich mit der Vielfalt der Aufgaben und Handlungsfelder des
Betriebes beschäftigen. Hinzu kommt, dass die Betriebsratsmitglieder in der
Regel nicht zu strategischer Arbeit ausgebildet worden sind. Proaktives
Arbeiten des Betriebsrates ist aber nur möglich, wenn auch der Betriebsrat eine
langfristige Perspektive für seine Arbeit hat, wenn er sich Zeit nimmt in der
Tagesarbeit inne zu halten und sich mit einer langfristigen Sichtweise
beschäftigt. Deswegen lag ein Schwerpunkt der Arbeit im Projekt auf der
Verbesserung der Strategiearbeit im Betriebsrat.
Ein gutes strategisches Arbeiten bedeutet das
Festlegen eines gemeinsam getragenen Zielkorridors, der eine Richtung und
Orientierung für die zukünftige Entwicklung vorgibt. Strategisches Arbeiten
bedeutet aus Sicht der Projektleitung jedoch nicht das Festlegen unumstößlicher
Zielvorgaben und Maßnahmen, die den Blick einschränken können. Dieser
traditionelle Ansatz birgt die Gefahr, dass mögliche zusätzliche Chancen aus
dem Blick geraten und auf Veränderungen nicht angemessen reagiert werden kann
– andere Ziele gehen verloren. Die aus der Strategie abgeleitete detailliertere
Zielformulierung ist für die Umsetzung der strategischen Ausrichtung dennoch
wichtig, geschieht aber als zweiter Schritt im Prozess. Abbildung 17
verdeutlicht den Unterschied zwischen dem traditionellen und dem evolutionären Vorgehen bei der
Strategieentwicklung.
Abbildung
17
Festlegung eines Ziels vs. Zielkorridor
Es war bereits vor Projektbeginn eine gewisse
Systematik im Bereich Strategie vorhanden, z.B. durch die regelmäßige
Ausarbeitung einer Zwischenbilanz der Betriebsratsarbeit in der Mitte der
Wahlperiode. Jedoch wurde insbesondere in stressigen Zeiten die Systematik
aufgegeben und reaktives Handeln dominierte. Auch vom Alltag wurde die
Strategiearbeit oftmals verdrängt. Es gab auch keine systematische und
visualisierte Strategiearbeit in den Bereichen und in den Ausschüssen. Es
bestand keine Transparenz der Prozesse und Aufgabenuordnungen. Kennzahlen
wurden nicht erhoben. Dadurch fiel es dem Betriebsrat schwer, die langfristige
Umsetzung seiner Arbeit zu überprüfen.
Dass strategisches Vorgehen aber gerade auch im
Betriebsrat für den langfristigen Erfolg wichtig ist, zeigte sich am Beispiel
des Passat Coupé. Der Betriebsrat erkannte frühzeitig, dass die bisher
produzierten Produkte für eine langfristige Auslastung des Werkes nicht
ausreichen würden und dadurch auch die Beschäftigung nicht gesichert wäre. Aus
diesem Grund wurde erfolgreich versucht, das neu entwickelte Passat Coupé für
die Produktion im Werk Emden zu gewinnen. Durch den Bau dieses Fahrzeuges in
Emden konnte ein wesentlicher Beitrag zum Erhalt der Arbeitsplätze geleistet
werden.
Umsetzung
und Ergebnisse
Die Strategiearbeit erwies sich als eine sehr
komplexe Fragestellung. Es sollte nicht eine Einzelperson oder eine kleine
Gruppe die Strategie erarbeiten, sondern das gesamte Gremium sollte einbezogen
werden. Dadurch erstreckte sich der Prozess über einige Monate. Die Komplexität
des realen Prozesses ist gut in Abbildung 20 sichtbar. Man sieht die
verschiedenen Ebenen des Prozesses (Konzern, Werk, Betriebsrat, Fraktion) und
die verschiedenen Prozessschritte mit ihren vielfältigen
Überarbeitungsschleifen. Trotz zahlreicher anderer Aufgaben, nahm sich das
Gremium Zeit für diese Arbeit. Erstmals wurden die Bereiche und die Ausschüsse
in die Strategieentwicklung eingebunden. Da dies den Betriebsräten nicht leicht
fiel, erfolgte diese Einbeziehung erstens im Rahmen des Qualifizierungsworkshops
für die Bereiche und zweitens im Rahmen der Herbstklausur für die Ausschüsse. Diese
wurden unter externer Anleitung durchgeführt und es erfolgte direktes Feedback
sowie eine Weiterentwicklung der Arbeitsergebnisse. Außerdem wurde auch mit
ungewöhnlichen und „begreifbaren“ Methoden gearbeitet. So wurde auf einer
Klausur die bisherige Entwicklung der Betriebsratsarbeit dreidimensional in Sandkästen
dargestellt (siehe Abbildung 18).
Abbildung
18
Durchführung der „Sandkasten-Übung“
Bei der Darstellung von Entwicklungen in Sandkästen
können verschiedene Entwicklungen (zeitliche, emotionale, strukturelle)
haptisch erfahrbar gemacht werden. Im Sandkasten kann mit Höhen und Tiefen und
mit vorgefertigten Symbolen und Gegenständen die Entwicklung gemeinsam geformt
und dargestellt werden. Aus einer anschließenden Diskussion über die
Entwicklungslinie lassen sich nächste Schritte und Vorgehensweisen ableiten.
Durch diese Übung werden oft Ergebnisse erzielt, die mit traditionellen
Methoden nicht erreicht werden, da sie alle Gruppenteilnehmer aktiv einbezieht
und verbales, visuelles und haptisches Arbeiten kombiniert. Daraus abgeleitet
wurde dann in einem zweiten Schritt die zukünftige Entwicklung im Sand
dargestellt und es entwickelten sich neue, weiterführende Ideen.
Durch diesen komplexen Prozess ist die Strategie
jetzt sehr viel besser im Gremium verankert und wird von allen unterstützt. Es
wurde eine Reihe von inhaltlich wichtigen Punkten in die Strategie integriert.
So hat der Betriebsrat schon länger das Thema grüne Fabrik aktiv aufgegriffen
und immer wieder die Werkleitung an ihre Verantwortung bei diesem Thema
erinnert, aber auch eigene Aktivitäten wie die Solargenossenschaft
durchgeführt. Inzwischen hat auch das Werksmanagement dieses Ziel übernommen. Auch
übergreifende Themen wie Demografie oder die Forderung nach langfristigen
Investitionen (neue Lackiererei) wurden integriert.
Es zeigte sich, wie wichtig es ist, dass die
Strategie visualisiert wird, damit sie für alle eingängiger ist. Hier wurde mit
dem Mittel der Mind Map gearbeitet, die auch schon vorher im Gremium genutzt
wurde (siehe Abbildung 19). Außerdem wurden visualisierte Jahresplanungen
erstellt (siehe Abbildung 12).
Abbildung
19
Handlungsfelder der strategischen Arbeit des Betriebsrates VW Emden in Form
einer Mind Map
GBR-Strategie Konzern Werk Betriebsrat Fraktion Strategie 2018 Abbildung 20
Komplexer Strategieentwicklungsprozess im Rahmen des Projektes für den
Betriebsrat in Emden
Der Erfolg dieser Arbeit zeigte sich beim
Standortsymposion, einem wichtigen Instrument der betrieblichen Mitbestimmung
bei VW. Hier wird mit dem Vorstand, der Werkleitung und dem Betriebsrat die
langfristige Planung des Werkes besprochen. Durch die Strategiearbeit war der Betriebsrat
auf diese Diskussion bestens vorbereitet.
Nach der Erstellung der Strategie, wurden die
wichtigsten Punkte über Kennzahlen und Erfolgskriterien überprüfbar und messbar
gemacht [ØHB Kap. 2.2 Übersichtsmodell: Der Weg zu Kennzahlen im
Betriebsrat]. Dieses Blatt wird jetzt regelmäßig hinsichtlich des Standes der
Umsetzung überprüft. Dabei war es nicht wichtig, alle Inhalte über Kennzahlen
zu messen, sondern sich auf die wichtigsten zu konzentrieren. Dies war eine
Lehre aus dem SPAs-Projekt der IG Metall, wo sich gezeigt hatte, dass eine zu
hohe Komplexität der Kennzahlen in der Tagesarbeit nicht mehr handhabbar und
steuerbar ist.
Übertragbarkeit
auf andere Betriebsratsgremien
Es war nicht immer einfach, das Gremium für diese
Arbeit zu gewinnen und „am Ball“ zu halten. Die Erkenntnis, wie wichtig in der
Vergangenheit das strategische Arbeiten am Beispiel des „Coupés“ war, war hier
hilfreich. Uns erscheint es wichtig, Strategiearbeit so durchzuführen, dass sie
Spaß macht. Betriebsräte haben ein Interesse an neuen Erkenntnissen und sie
wollen „ihr“ Unternehmen durchdringen. Richtig durchgeführte Strategiearbeit
bringt „Aha-Erlebnisse“, die motivierend wirken.
Auf der Basis der geleisteten Arbeit ist ein
Prozessplan für eine Strategieentwicklung im Betriebsrat erstellt worden, der
im Handbuch dokumentiert ist und auch in anderen Betriebsräten angewendet
werden kann.
[ØHB Kap.2.2 Übersichtsmodell, Prozess
zur Strategieentwicklung im Betriebsrat.]
Es zeigte sich, dass der Prozess doch sehr komplex
war und die externe Moderation und Anleitung als wichtig erachtet wurde.
Langfristig sind zu diesem Punkt verschiedene Entwicklungen denkbar: Der Prozess
wird vereinfacht und durch die Wiederholung internalisiert, so dass er alleine
durchgeführt werden kann. Es ist aber auch denkbar, dass der Betriebsrat für
eine so wichtige Aufgabe auch weiterhin externe Unterstützung einholt. Auf
Managementebene ist dies eine typische Vorgehensweise. Gerade bei der erstmaligen
Durchführung ist Unterstützung sinnvoll. Strategieentwicklung sollte darüber
hinaus aber auch in die gewerkschaftlichen Betriebsräteschulungen integriert
werden.
Wichtig für
die Zukunft, offene Fragen, Nachhaltigkeit
Das Projektteam hat beschlossen, die
Strategiearbeit in die Teamentwicklungen der Bereiche und des
Betriebsausschusses zu integrieren. Dadurch bekommen die Bereiche Unterstützung
bei der Ausarbeitung. Gleichzeitig werden die Teamentwicklungen durch die
inhaltliche Arbeit „geerdet“, so dass Beziehungsarbeit und inhaltliche Arbeit
miteinander verknüpft werden.
In Emden wird es jetzt darauf ankommen, durch
regelmäßige Anwendung das Instrument „Strategieentwicklung“ zu verstetigen. Hier
ist der neue Betriebsrat gefordert. Dabei ist zu beachten, dass es eine
jährliche Jahresplanung geben muss. Der komplexe Strategieprozess unter
Einbeziehung der Bereiche und Ausschüsse muss aber nicht jährlich durchgeführt
werden. Hier reicht ein zwei bis dreijähriger Abstand, soweit nicht aktuelle
Entwicklungen die Arbeit an der Strategie erforderlich machen
[ØHB Kap. 3: Veränderung]
Ausgangssituation, Stärken und Probleme
Eine der großen Herausforderungen in der modernen
Betriebsratsarbeit ist der Umgang mit steigender Komplexität und den schnellen
Veränderungen, die im Unternehmen passieren. In die Projektlaufzeit fiel die
große Wirtschaftskrise, die zu einer erheblichen Abnahme der Stückzahlen im
Werk und zu massiven Schwankungen des Absatzes führte. In dieser Situation muss
ein Betriebsrat sehr schnell reagieren und er muss sich fragen lassen, ob seine
Strukturen, die oft viele Jahre alt sind, das Treffen von schnellen Entscheidungen
ausreichend unterstützen. Gerade die Ausschussarbeit bindet Zeit und Kräfte,
die der Arbeit vor Ort verloren gehen. Außerdem sind viele Einzelfragen, die
die Arbeit vor Ort betreffen, für die Lösung auf der zentralen Ebene zu
vielfältig. Das Spannungsfeld des Betriebsrates wird zunehmend komplexer:
Vertretung der Interessen der Belegschaft, der Region und der Gewerkschaft und
Kommunikation mit Führungskräften und Entscheidungsträgern im Werk, aber auch
im Konzern.
Damit der Betriebsrat in diesem Spannungsfeld
effektiv arbeiten kann, muss er bereit und fähig sein, sich einem wandelnden
Umfeld anzupassen. Im Betriebsrat VW Emden herrschten vor Projektbeginn zum
Teil inflexible und starre Strukturen. Themen wurden in Ausschüssen bearbeitet,
Projektarbeit oder Arbeitsgruppen (im BetrVG nicht vorgesehen) wurden nicht
systematisch eingesetzt. Die Strukturen laut BetrVG, bei denen alle
Entscheidungen im Plenum von 37 Betriebsräten getroffen werden müssen,
widersprechen allen Erkenntnissen der Teamarbeit. Kein Unternehmen ist
vergleichbar organisiert (dies ist vor allem ein Problem von großen Betriebsräten).
Die Verständigung innerhalb des Betriebsrates ist sehr zeitaufwendig. Fragen
müssen oft in mehreren Ausschüssen gleichzeitig behandelt werden. KollegInnen
haben mit ihren Anliegen mehrere Ansprechpartner, bevor eine Lösung in Sicht
ist. Insgesamt herrschte trotz großen Engagements der Betriebsräte zu wenig
Systematik.
Wissensmanagement wurde nicht ausreichend betrieben
und verwendet. Moderne elektronische Kommunikation wie über Outlook wurde wenig
genutzt, so dass keine Transparenz über die Terminsituation herrschte. Es gab
keine Übersicht über die für die Arbeit wichtigen Dokumente und
Betriebsvereinbarungen. Unterschiedliche Ablage in den Bereichen erschwerte die
gemeinsame Arbeit.
Umsetzung
und Ergebnisse
Vor dem Projektbeginn musste zunächst die Akzeptanz
für einen Projektstart hinsichtlich der Finanzierung aber auch der Akzeptanz
der Beteiligten geschaffen werden. In diesem Diskussionsprozess fängt der Veränderungsprozess
schon an und wenn er gut gelaufen ist, hat sich bis zum Projektstart schon
einiges getan. Dies war bei diesem Projekt der Fall.
Im Laufe des Projektes wurden viele Veränderungen
eingeleitet und umgesetzt, aber gleichzeitig wurde auch deutlich, wie lange manche
Veränderungen brauchen. Am Punkt der Sitzungsgestaltung und der Ausstattung und
Arbeit in den Bereichen konnten verhältnismäßig schnell Veränderungen erzielt
werden. Eine neue Sitzungsstruktur wurde eingeführt, die mehr Zeit für die Arbeit
vor Ort gibt. Die Bereiche wurden materiell besser ausgestattet und ihre Arbeitsweise
systematisierte sich. Einige Arbeitsprozesse wurden standardisiert, bei anderen
wollten die Bereiche aber ihre individuelle Arbeitsweise beibehalten. Eine
Analyse der genauen Arbeitszeiten für die einzelnen Aktivitäten in den
Bereichen wurde nicht durchgeführt, da einige Betriebsratsmitglieder dies zu
sehr als Kontrolle durch die zentrale Vertretung empfunden haben.
Am Thema Strukturveränderung geschah der
Fortschritt sehr viel langsamer. Hier ging es darum, die Ausschussarbeit zu
überprüfen und zu neuen Strukturen zu kommen. Eine Veränderung der
Ausschussstruktur wurde und wird von einem Großteil der Betriebsratsmitglieder
als notwendig angesehen. Über den Projektzeitraum zeigte sich, dass die
derzeitige Arbeitsstruktur nicht gut geeignet ist, um die Anforderungen an den
Betriebsrat von Seiten der Belegschaft und der Werksleitung zu erfüllen. Neben
den KollegInnen, die oft mehrere Ansprechpartner haben, bis Ihre Anliegen
behandelt werden, erwartet auch die Werkleitung rasche Entscheidungen, die in
einem demokratischen Gremium aber Ihre Zeit brauchen. Der demokratische Prozess
zeichnet den Betriebsrat aus und ist unabdinglich, nichtsdestotrotz muss der
Betriebsrat in der Lage sein, bei drängenden Fragen zügig zu Entscheidungen zu
kommen. Außerdem sollte er durch
seine Strukturen auch in der Lage sein, neu aufkommende Themen effektiv zu
bearbeiten (Struktur zeitlich begrenzter Arbeitsgruppen)
Auch für die Arbeit innerhalb des Betriebsrates
stellt die Strukturveränderung eine Chance dar: Diese liegt vor allem im
Zusammenhang von Mitbestimmung und Verantwortung. Im Betriebsrat wird ein hoher
Mitbestimmungsgrad gewünscht und umgesetzt, die Aufgabenverantwortung wird aber
von manchen Betriebsräten nicht aktiv genug gesucht. Eine neue Struktur sollte
es sich daher auch zum Ziel setzen, die Verantwortungsbereiche innerhalb des
Gremiums zu verdeutlichen und die Verantwortung nicht nur auf wenigen Personen
zu verteilen.
Obwohl die notwendige Strukturveränderung seit
Projektbeginn und schon in der Vorphase thematisiert worden war, wurde es über
lange Zeit im Projekt nicht aktiv angegangen. Zu groß war die Ungewissheit, was
stattdessen kommen könnte. So mancher befürchtete, seinen Status als
Ausschussvorsitzender oder ein als wichtig eingeschätzte Gebiet zu verlieren.
Erst auf der Fraktionsklausur im Herbst 2008 wurde die Notwendigkeit wieder
anerkannt und dann vom Projektteam unter Beteiligung der Betriebsratsleitung weiter
bearbeitet.
Auf der zweitägigen Fraktionsklausur im November 2009
wurde das Thema intensiv diskutiert. Von der Projektleitung wurde vorgeschlagen,
am Abend des ersten Tages mit Mitgliedern des Betriebsausschusses gemeinsam mit
der externen und internen Projektleitung die Gruppenergebnisse aus der
Strukturdiskussion zu sammeln und zusammenfassen, um am Folgetag der gesamten
Fraktion einen Vorschlag zu unterbreiten, an welchen Punkten der
Strukturveränderung gemeinsam weitergearbeitet werden soll. Dieser Prozess
wurde allen Teilnehmern der Fraktionsklausur transparent dargestellt. Bei der
Durchführung zeigte sich erneut, dass „Führung in Betriebsräten“ immer noch ein
heikles Thema ist: Der Kreis selbst fühlte sich am Abend unwohl in seiner
Rolle, da er befürchtete, von den anderen KollegInnen misstrauisch beäugt zu
werden. Die Betriebsräte, die nicht am Kreis teilnahmen, waren besorgt, dass
Entscheidungen in kleiner Runde getroffen würden und ihr Recht auf
Mitentscheidung untergraben würde.
Dennoch wurden unterschiedliche Vorschläge erarbeitet.
Sie sollen in der Zeit zwischen Betriebsratswahl im März 2010 und der
Konstituierung des neuen Gremiums ca. acht Wochen später zu einer
Beschlussvorlage für den neu gewählten Betriebsrat zusammengefasst werden. Die
folgenden unterschiedlichen Vorschläge stehen zur Zeit der Berichterstellung im
Raum:
Ø Die bisherigen Ausschüsse könnten neu strukturiert und
zum Teil zusammengelegt werden. Dabei sollten nicht nur die Ausschüsse selber
neu strukturiert, sondern die Aufgaben
analysiert und neu zusammengestellt werden. Außerdem könnte auch die
Mitgliederstärke bei einzelnen Ausschüssen reduziert werden. Weniger Ausschüsse
reduzieren den Arbeits- und Koordinierungsaufwand.
Ø Die vielen Ausschüsse
könnten zu drei größeren Ausschüssen
mit den Oberbegriffen Mensch, Arbeit und
Technik zusammengefasst werden, die dann wieder kleine Untergruppen oder
Unterausschüsse bilden könnten. Durch die geringe Zahl würde Arbeitszeit
gespart und der bisherige Koordinierungsaufwand zwischen den vielen Ausschüssen
würde reduziert. Die drei Ausschüsse hätten mit einer Teilnehmerzahl zwischen
10 und 15 eine bessere Arbeitsgröße als das Gesamtgremium. Zudem wäre eine
ganzheitlichere Herangehensweise von komplexen Aufgaben möglich.
Ø Die Ausschüsse arbeiten
heute auf der Ebene Werk-Gesamt. Es wäre aber auch denkbar die vier großen
Bereiche des Werkes - Rohbau, Lack,
Montagen 1 und Montagen 2 - in der Form von Ausschüssen nach dem BetrVG
arbeiten zu lassen. Dadurch würde vor Ort ganzheitlicher gearbeitet und die
Kollegen und Kolleginnen haben weniger und direktere Ansprechpartner.
Es ist aber auch denkbar, dass ein Vorschlag
erarbeitet wird, der eine Mischung dieser Vorschläge oder eine
Weiterentwicklung darstellt.
Auch wenn an diesem Punkt das eigentliche
Projektziel „neue Struktur“ nicht erreicht worden ist, so ist doch die
inhaltliche Debatte weit vorangekommen. Es wäre nicht sinnvoll gewesen, die
Beschlussfassung zu beschleunigen. Es wurde deutlich, dass dieser Punkt noch
immer hochemotionalisiert war (wer hat welche Entscheidungsmöglichkeiten und
dadurch welche Macht?) und die Diskussion Zeit zur Reifung brauchte. Bei einer
forcierten Beschlussfassung hätte dies auch dazu führen können, dass eine
Mehrheit im Betriebsrat die Neustrukturierung abgelehnt hätte.
Eine ausführlich geführte Debatte im Betriebsrat
sorgt dafür, dass der Boden für eine neue Lösung bereitet wird. Es kommt dann
aber auch der Zeitpunkt, an dem entschieden werden sollte, auch wenn noch nicht
alle den neuen Vorschlag unterstützen. Dies erfordert sehr viel
Fingerspitzengefühl.
Interessant war, dass die „Veränderungsenergie“ im
Lauf des Projektes zwischen verschiedenen Promotoren wechselte. Mal war es
stärker die Projektleitung, mal der Projektkern, mal die
Betriebsratsvorsitzenden, mal eher junge Betriebsräte. Bei längeren Projekten
ist es wichtig, einen solchen Wechsel aktiv in das Projekt einzubeziehen, um
den Veränderungsprozess am Laufen zu halten. Es ist nachvollziehbar, dass die Einzelnen
nach ihrem individuellen Nutzen in ihrer Arbeit fragen und davon auch die
Unterstützung abhängig machen.
Es hat sich auch gezeigt, dass oft kleine Gruppen
Veränderungen voran gebracht haben. Das Projekt „grüne Fabrik“ beispielsweise
entstammte einer zunächst kleinen Personengruppe im Betriebsrat, die es sich
zum Ziel setzte, regenerative Energien stärker für das Werk in Emden zu nutzen.
Daraus entwickelte sich der Bau der größten Photovoltaik-Dachanlage
Norddeutschlands durch eine Belegschaftsgenossenschaft und die Errichtung von
Windkraftanlagen. Seit längerem gab es den Bezug von Fernwärme, durch dessen
Bezug von 138.000 Megawattstunden der Erdgasverbrauch halbiert werden konnte. Das
Werk Emden vermeidet dadurch jährlich CO2-Emissionen in Höhe von 35.000 Tonnen.
Ein Betriebsrat ist heute erfolgreich in der Interessenvertretung,
wenn er sich auf wechselnde Umfeldbedingungen schnell einstellen kann. Deswegen
ist eine gute Veränderungskompetenz Schlüsselkompetenz des Betriebsrates. Die
vielen Aktivitäten im Projekt haben viele Möglichkeiten geboten, diese
Veränderungskompetenz an Hand praktischer Beispiele weiterzuentwickeln. Hierzu
wurden auch Qualifizierungsangebote durchgeführt.
Damit der Veränderungsprozess erfolgreich
durchgeführt werden konnte, war aber auch eine klare Wertorientierung
notwendig. Denn wer Werte wie Demokratie oder Beteiligung mit derartigen
Prozessen verbindet, verfügt über die Kraft, derartige Prozesse mit ihren Höhen
und Tiefen durchzuhalten. Dafür wurde sowohl auf den Klausuren aber auch in den
Sitzungen des Projektteams ausreichend Raum gegeben.
Im Betriebsrat herrschte anfangs ein Leidensdruck
zum Wandel, da aufgrund unstrukturierten Arbeitens das Fehlen von ausreichend
Zeit für die Basisarbeit beklagt wurde. Die Teilhaber fühlten sich nicht als
Treiber, sondern als Getriebene der Prozesse. Indem die Betriebsräte aktiv in
den Veränderungsprozess einbezogen wurden, konnte die Eigenverantwortung
gestärkt werden und die Arbeit effektiver organisiert werden. Die Verbindung
von Eigenaktivität der einzelnen Betriebsräte bei gleichzeitiger Disziplin und
Einordnung in den Gesamtprozess ist allerdings eine Herausforderung; auch hier
war die externe Begleitung hilfreich.
Im Projektverlauf war zu beobachten, dass
Arbeitsgruppen zu aktuellen Themen, die projektähnlich arbeiten, stark an
Bedeutung gewonnen haben. Anfangs war es nicht einfach, anders als bei den
schon lang existierenden Ausschüssen, Kontinuität in ihrer Arbeit herzustellen.
Es stellte sich heraus, dass sie dann stark sind, wenn sie direkt dem
Betriebsausschuss berichten und er auch eine gewisse Anleitung und Kontrolle
übernimmt oder wenn durch ein starkes Interesse des Unternehmens ein gewisser
Außendruck vorhanden ist.
Umsetzung
Wissensmanagement
[ØHB Kap.3.3.4 Wissensmanagement]
Am Thema Wissensmanagement wurden einige Punkte
umgesetzt. In den Bereichen wurde teilweise über Aktenpläne die Ablage neu
organisiert (siehe Abbildung 21). Zentral sind alle Betriebsvereinbarungen und
Protokolle eingescannt worden, so dass sie jetzt allen Betriebsräten zur
Verfügung stehen. Die Outlookanwendung wurde intensiviert um dadurch mehr
Termintransparenz zu erreichen. Es ist aber noch einiges in diesem Gebiet zu
tun. So soll eine neue übersichtlichere Datenstruktur eingeführt werden und die
Bereiche sollen alle gemeinsame Bereichsordner für ihre Bereichsdokumente einführen.
Da die Informationen im Betriebsrat weiter zunehmen ist ein effektives
Wissensmanagement eine zunehmend wichtige Voraussetzung für gute Betriebsratsarbeit.
Abbildung
21
Übertragbarkeit
auf andere Betriebsratsgremien
In dem vorherigen Abschnitt sind eine Reihe von
Punkten für die Veränderungsbereitschaft in Betriebsräte-Gremien dargestellt
worden. Wichtig für ein solches Projekt ist, dass es eine klare Führung gibt.
Die Struktur im Betriebsrat entsprechend dem BetrVG unterstützt demokratische
Diskussionen, sie macht aber Führung schwierig. Dies kann dazu führen, dass
notwendige Entscheidungen zerredet werden. Umso wichtiger ist es, dass sich
eine kompetente, informelle Führung herausbildet.
[ØHB Kap.4.1 Leitlinien Führungsarbeit
im Betriebsrat]
In diesem Projekt sind bestimmte strukturelle
Veränderungen eher von Betriebsräten unterstützt worden, die noch nicht so
lange im Gremium waren. Betriebsräte sollten darauf achten, dass regelmäßig
neue Mitglieder in das Gremium gewählt werden, um dadurch auch für neue Ideen offen
zu bleiben. Dies ist in Zeiten alternder Belegschaften nicht immer leicht
umzusetzen, trotzdem aber notwendig. Es sollte enttabuisiert werden, dass
jemand den Betriebsrat verlassen kann, auch wenn er noch nicht in die Rente
geht.
Veränderungskompetenz ist insgesamt für Betriebsratsgremien
wichtig. Gemäß dem Erklärungsmodell, müssen sie heute sehr viel flexibler
handeln und sich immer wieder verändern können.
Wichtig für
die Zukunft, offene Fragen, Nachhaltigkeit
In Zukunft wird es wichtig sein, die erreichten
Ergebnisse zu verstetigen und den Veränderungsprozess an bestimmten Themen
weiterhin voranzuführen. Dies wird gelingen, wenn die Bearbeitung von Themen
wie z.B. Gesundheit und Überlastung von Betriebsratsmitgliedern, Struktur und
Führung und Vertrauen durch Veränderungstreiber weiter unterstützt werden. Das
Projektteam hat eine Reihe von Maßnahmen festgelegt, die der Verstetigung der
Veränderungsarbeit dienen. Dazu wurden mögliche „Stolpersteine“ benannt wie
z.B. Bereichsegoismen, fehlende Einigkeit in der Führung oder ungenügende
Ressourcen, die die Verstetigung behindern könnten. Es wurden Maßnahmen entwickelt,
um sie zu umgehen. Es wurde festgelegt, welche Projektthemen auf jeden Fall
auch nach Projektende weitergeführt werden sollen (siehe Kapitel 8.4).
Mit diesen noch im Projekt entwickelten klaren
methodischen und inhaltlichen Vorgaben für die Zeit nach dem Projektende sind
gute Voraussetzungen für die weitere Umsetzung der Projektergebnisse gegeben
worden. Es wird aber erheblicher Anstrengungen bedürfen, damit das Erreichte
nicht in der Tagesarbeit untergeht, sondern weiterentwickelt werden kann.
[ØHB Kap. 4: Führung, Personalentwicklung, Qualifizierung]
Führung,
Personalentwicklung, Qualifizierung |
|||
Arbeitsfelder |
Personalentwicklung |
Teamentwicklung |
Systematische Bearbei-tung des Themas Gender |
Ausgangssituation
/ Probleme / Stärken |
● keine systematische Personalent-wicklung im
Betriebsrat ● strategische Nachwuchsarbeit fehlt ● keine systematische Qualifizierung ● Karriereweg unklar BR / VL ● Arbeitsdruck ● psychische Belastung ● vor allem fachl. Qualifizierung ● Kungelei ● systematische Personalentwicklung im
BetrVG nicht vorgesehen |
● Teamentwicklungen im Betriebsrat schon
gelaufen |
● Frauenanteil im Betriebsrat höher als
Prozentsatz im Werk (+) ● Fachausschuss tagt unstetig ● geringer Anteil an Frauen im Werk ● geringe Sensibilisierung des Themas Gender ● geringer Anteil an Frauen in
Führungspositionen ● Hoher Anteil von Frauen in gewerblicher
Ausbildung |
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Ziele |
Aus Projektantrag: ● Systematisierung von personeller Zuordnung
zu bestimmten Arbeitsaufgaben im Rahmen eines PE-Konzepts ● Die einzelnen Betriebsratsmitglieder werden
in die Lage versetzt, spezifische Anforderungen zu verarbeiten und Stärken
weiterzuentwickeln ● Auf Augenhöhe in Verhandlungen mit dem
Management auftreten Im Projekt: ● Projektziele anpassen ● Qualifizierungsmatrix ● Akzeptanz für das Thema Führung ● Gemeinsames Führungsverständnis entwickeln ● Qualifizierte Führungskräfte im Betriebsrat ● Instrumente von PE einführen wie „interne Förderung“ |
Aus Projektantrag: ● verallgemeinernd untersuchen, mit welcher
Form der TE und mit welchen Methoden eine stabilisierende Entwicklung
erreicht werden kann Im Projekt: ● Akzeptanz für TE vergrößern ● Zusammenarbeit in den Bereichen und in den
Ausschüssen verbessern und stärken |
Aus Projektantrag: ● Entwicklung von Maßnahmen zur Berücksichtigung
des Gender-Aspektes ● Stärkung des Frauenanteils ● bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
für Mütter und Väter Im Projekt: ● regelmäßige Arbeit des Fachausschusses |
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Zielerreichung |
● Qualifizierungsuntersuchung ● Start Coaching + Kuren ● Hemmschwelle gegenüber Gesund-heitsmaßnahme
abgebaut ● Qualifizierung Selbstmanagement ● Arbeitsorganisation mit allen Bereichs Betriebsrats
durchgeführt ● BA-Mitglieder akzeptieren Führung ● Führung in der Fraktion thematisiert |
● Teamentwicklung als regelmäßiges Instrument
ist etabliert ● Zusammenarbeit der Bereiche verbessert,
u.a. durch BR-Rotation ● Zusammenarbeit Bereiche-Zentrale verbessert |
● Neue Terminstruktur des Fachausschusses ● Präsentation/Vortrag in Fraktion ● Forderungskatalog und Themen erarbeitet ● Familienservice Weser/Ems für
Kinderbetreuung ● Garantierte Freizeit für werdende Väter bei
der Geburt |
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Aktionen
/ Maßnahmen |
● AG Qualifizierung gebildet ● Abfrage Tätigkeitsbefragung ● Qualifizierungsuntersuchung ● Qualifizierungsmatrix in Arbeit ● Entscheidungen über Qualifizier-ungen an
Gremium gebunden ● Führung im BA + Fraktion ● Führungsqualifizierung für Betriebsräte ● Coaching initiiert, erste
Coaching-Aktivitäten ● Qualifizierungsworkshop für Betriebsräte ● Konkrete Maßnahmen für gestresste +
"kranke" Betriebsräte, Diskussion in Gewerkschaft tragen |
● 2 Teamentwicklungen pro Bereich
durchgeführt und mit neuer Methode experimentiert ● 1 Teamentwicklung für BA durchgeführt ● Teamentwicklung an Legislaturplan gekoppelt |
● Arbeitsfähigkeit des zuständigen Gremiums
hergestellt ● Arbeitsplan erstellt ● 2 WS durchgeführt ● Vortrag Vertreterin IGM-Vorstand in der
Fraktion |
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Wichtig
für die Zukunft |
● Qualifizierungsmatrix vollenden und
verabschieden ● Coaching verbreiten und etablieren
Führungsseminar BA ● Qualifizierung einzelner BA-Mitglieder zum
Thema Führung ● Akzeptanz des Themas Führung erhöhen ● „Fehlende Führung“ aus BetrVG politisieren ● Personalentwicklung etablieren ● Betriebsräte als Karriere thematisieren |
● Teamentwicklung wird künftig mit der
Strategieentwicklung der Betriebsräte aus den Hallen verbunden ● Evaluierung zu Teamentwicklung schaffen |
● Weitere Durchführung von Workshops ● Verbinden mit Thema Humanisierung der
Arbeit ● Teilzeit auf allen Ebenen ● Frauen in Führungspositionen |
Ausgangssituation/Stärken
und Probleme
Betriebsratsarbeit, die den heutigen Anforderungen
gerecht werden will, bedarf verschiedener Instrumente, die in dieser Form in
der Betriebsratsarbeit nur eine untergeordnete oder sogar gar keine Rolle
gespielt haben. Das Erklärungsmodell (siehe Kapitel 3) zeigt, dass sich
Betriebratsgremien und ihre Mitglieder flexibel verhalten bzw. agieren müssen.
Die Situation ist zu erfassen, die entsprechende Rolle ist einzunehmen, um
erfolgreich zu sein bzw. das langfristige Ziel Standort- und
Beschäftigungssicherung zu erreichen.
Dabei hat sich gezeigt, dass Führung auch im
Betriebsrat unverzichtbar ist und deshalb als Thema gestaltet werden muss.
Personalentwicklung dient der nachhaltigen Qualität der Betriebsratsarbeit und
will die einzelnen Mitglieder des Betriebsrates stärken.
Die drei Felder Führung, Personalentwicklung und
Qualifizierung haben in der gewerkschaftlichen Geschichte eine sehr
unterschiedliche Bedeutung. Während Qualifizierung schon von Beginn an ein
zentraler Baustein gewerkschaftlicher Arbeit war, sind die beiden anderen
Themen neu bzw. noch kaum entwickelt und zum Teil auch noch gar nicht als
gewerkschaftliches Feld akzeptiert. So finden sich im gewerkschaftlichen
Bildungsangebot nur wenige Maßnahmen zum Thema Führung. Es scheint, als sei
Führung im Bereich der Arbeitnehmervertretung gar nicht oder nur bedingt
akzeptiert.
Teamentwicklungen sind bereits schon vor dem
Projekt beim Betriebsrat VW Emden durchgeführt worden. Sie sind für den
Projektverlauf als Begleitung für Veränderungsprozesse geplant gewesen, um
mögliche Konflikte aufzufangen. Das Instrument Teamentwicklung wurde im Laufe
des Projektes immer stärker eingebettet und ist damit in seiner herausragenden
Stellung relativiert worden. Aus diesem Grunde ist die explizite Betrachtung
des Themas zugunsten anderer Themen im Abschlussbericht zurückgestellt worden.
Dennoch sind die Teamentwicklungen von enormer Bedeutung geblieben, die für die
Beteiligten ein fester Bestandteil der Arbeit des Betriebsrates geworden ist.
Führung
Einen wichtigen Hintergrund bildet das
Betriebsverfassungsgesetz, das ausdrücklich keine Hierarchie beschreibt. Anders
als in der Organisation von Unternehmen gibt es keine klassische Weisungs- und
Disziplinarkompetenz. Gemäß BetrVG gibt es Vorsitz und Stellvertretung plus geschäftsführenden
Ausschuss (Betriebsausschuss) im Betriebsrat, allerdings sind diese nur mit
einer „Richtungskompetenz“ ausstattet. Dennoch hat sich sehr oft Führung
entwickelt, so auch in Emden. Und dies nicht nur bei den beiden Vorsitzenden,
sondern über verschiedene Gremien hinaus: Jeder Bereich und jeder Ausschuss
wurden immer geführt.
Das Thema Führung ist in gewerkschaftlichen Kreisen
in den letzten Jahrzehnten weitgehend tabuisiert gewesen. In Betriebsräten
gehen mit dem Thema Führung immer wieder andere Fragestellungen einher. Wie
kann Führung mit demokratischen Prinzipien verbunden werden und wie wird dies
sichergstellt? Wie wird mit der Nähe der Betriebsratsspitze zu der
Geschäftsführung umgegangen? Gibt es „Klüngelei“? Wie kann demokratische
Kontrolle ausgeübt werden, ohne dass das Gremium in Misstrauen erstickt?
Erst in der jüngeren Vergangenheit ging
beispielsweise das Bildungsangebot der IG Metall auf das Thema Führung ein und
bot – zwar vereinzelt – Seminare für Betriebsräte in diesen
Zusammenhang an. Es scheint also, dass dieses Thema auch in gewerkschaftlichen
Kreisen langsam „salonfähig“ wird und den Betriebsräten diesbezüglich Hilfestellung
angeboten wird.
Die Struktur im Betriebsrat entspricht damit dem
BetrVG und unterstützt demokratische Diskussionen, sie erzeugt aber ein
Dilemma, weil keine Aussagen zum Thema Führung vorliegen und Führung dadurch
erschwert wird. Dies kann dazu führen, dass notwendige Entscheidungen zerredet
werden. Um effektiver zu werden, führte dies in der Vergangenheit in
Betriebsräten oft dazu, dass sich mächtige, sehr autoritär herrschende
Vorsitzende herausbildeten, meist verbunden mit Betriebsratsmitgliedern, die
wenig selbstverantwortliches und selbständiges Handeln zeigten. Führung muss
von den „Geführten“ auch akzeptiert werden. Dies war im Emder Betriebsrat eine
große Herausforderung, da „jeder Betriebsrat auch ein kleiner König war“, wie
es der Fraktionsvorsitzende der IG Metall in einer Fraktionsklausur öffentlich
machte.
Zudem stellte sich die Frage, wie Führung im
Vergleich zu Führung im Unternehmen bzw. Management durchzuführen ist. Welche
Instrumente und Ressourcen stehen zur Verfügung? So hat ein
Betriebsratsvorsitzender nicht die Sanktionsmittel wie eine betriebliche
Führungskraft. Auch ist die Vergabe von Gehaltsvorteilen nicht mit der
Situation auf der Unternehmensseite vergleichbar. Dennoch verfügt auch der
Betriebsrat bzw. seine Vorsitzenden über Ressourcen. So kann möglicherweise
Einfluss auf die Gehaltsentwicklung der KollegInnen genommen werden. Es
bestehen Machtzugänge, die den Vorsitzenden Möglichkeiten eröffnen, Anreize
oder Sanktionen einzusetzen.
Personalentwicklung
Personalentwicklung fand im Emder Betriebsrat als
offenes und transparentes Instrument kaum statt. So waren Entwicklunswege wenig
transparent. Wer welche Ausschüsse führte, war eher ein Aushandlungsprozess und
weniger eine Planung, die auf Qualifikationen und Neigungen beruhte. Damit gab
es auch keine Instrumente wie Entwicklungsgespräche oder Coaching. „Neue“
Betriebsräte wurden über die Bereiche und in der Regel aus dem Vertrauenskörper
gewonnen. Dabei lagen keine gemeinsam definierten Entscheidungskriterien zugrunde
und es wurden dem Vertrauenskörper gegenüber auch keine Ansprüche an
Betriebsräte formuliert. Personalentwicklung als Instrument ist ähnlich wie das
Thema Führung im Betrieb, aber auch in der gewerkschaftlichen Diskussion
tabuisiert worden.
Personalentwicklung wurde stattdessen sehr oft über
die Person des zuständigen Gewerkschaftssekretärs oder über den jeweiligen
Bevollmächtigten durchgeführt, allerdings nicht wirklich systematisch und
konsequent. Dennoch blieb es dabei, dass es kein transparentes Instrument der
Personalarbeit des Betriebsrates war.
Hinzu kam, dass die Anforderung an die Person eines
Betriebsrates weder im VW-Betriebsrat in Emden, noch in der Gewerkschaft
umfassend Beachtung fand. Themen wie Überlastung, Stress, Konflikte sind wenig
berücksichtigt worden, so dass es kein angemessenes Instrumentarium hierfür
gab.
Qualifizierung
Schon seit Jahren wurden vielfältige
Qualifizierungen durchgeführt. Einige Fachausschüsse hatten auch klare
Ansprüche an ihre Mitglieder. So galten für Personalausschussmitglieder
Seminare im Arbeitsrecht als notwendig, für den Entgeltausschuss waren
tarifpolitische Seminare zu besuchen, zuletzt wurden sogar MTM-Ausbildungen
quasi erwartet. Dennoch fehlte ein transparentes Verständnis, was Betriebsräte
fachlich können mussten und welche überfachlichen Fähigkeiten und Kompetenzen
sie mitbringen sollten. Eine Qualifizierung hinsichtlich persönlicher Stärken
und Schwächen fand kaum statt.
Umsetzung
und Ergebnisse
Führung
Zur Projektmitte wurde immer deutlicher, dass
Führung als Thema eine zentrale Rolle bekommen würde. Denn es wurde zunehmend
klarer, dass man nicht nicht führen
kann. Es wird geführt, ob man will oder nicht. Diese Erkenntnis kam nicht von
heute auf morgen, es entwickelte sich ein längerer Prozess, indem sich die
Betriebsräte mit diesem Thema „anfreunden“ konnten. Nach einigen Monaten
bekannten sich dann die Mitglieder des Betriebsausschusses zur eigenen
Führungsrolle. Es wurde in einer Teamentwicklung des Betriebsausschusses
gemeinsam festgestellt, dass alle Mitglieder nicht nur einen Bereich vertreten,
sondern diesen auch in einer Führungsrolle repräsentieren. Darüber hinaus ordnen
sie sich als Führungskraft eines Bereiches in eine betriebliche Gesamtperspektive
ein. Dieser langwierige Weg zeigt, welche Barrieren durchbrochen werden mussten,
um das Thema Führung aus der Tabuisierung herauszuholen und zu etablieren.
Diese Teamentwicklung hat in erheblichem Maß
Spannung zwischen Betriebsratsspitze (in diesem Fall: Betriebsratsvorsitzender,
sein Stellvertreter und der Vorsitzende der IG-Metall-Fraktion) und dem
weiteren Betriebsausschuss abgebaut. Es wurde zum Beispiel der Spitze
ausdrücklich das Vertrauen ausgesprochen so genannte „12-Augen-Gespräche“
(BR-Spitze plus drei Manager) führen zu können. Damit wurde ausdrücklich
anerkannt, dass es besser sein kann, wenn nur ein ausgewählter Teil des
Betriebsrates stellvertretend für das Gremium mit dem Management in Kontakt
steht.
Auch wurde deutlich, dass die richtige
Kommunikation eine erhebliche Rolle spielt. Einerseits ging es dabei um die
richtige Information, aber ganz besonders auch um das Mitteilungsrecht der
anderen Betriebsausschussmitglieder aus den Hallen. So wurde in der Folge die
Tagesordnung für die turnusmäßigen Sitzungen verändert, um den Betriebsräten aus
den Bereichen/Hallen einen gebührenden Platz zu bieten. Die Themen „vor Ort“
stehen nun ganz oben auf der Tagesordnung und drohen nun nicht mehr, aufgrund
von Zeitdruck verdrängt zu werden. Ein wichtiger Punkt auch hinsichtlich der
Wertschätzung der Arbeit vor Ort durch die Betriebsratsspitze.
Es wurde zudem festgestellt, dass ein gemeinsames
Verständnis von Führung erarbeitet werden sollte. Dabei wurde deutlich, dass
Führung im Betriebsrat ganz wesentlich Führung „im Team“ bedeutet. Das heißt
einerseits abgeben zu können, andererseits aber auch, dass von vielen
Betriebsräten Verantwortung übernommen werden muss.
Darüber hinaus ist zu klären inwieweit der gesamte
Betriebsrat bzw. Fraktion beteiligt wird. Wann und in welchem Maße?
Bei der Wahl der geeigneten Vorgehensweise
hinsichtlich Beteiligung und Führung, hilft folgendes 4-Stufenmodell der IG
Metall:
Abbildung
22
Vier Beteiligungsstufen im Problemlösungsprozess
Außerdem wurde im Betriebsausschuss vereinbart,
dass Führungsseminare der IG Metall besucht werden sollen. Das zeigt, dass
Führung als komplexe Aufgabe begriffen wird. Für die neue Wahlperiode stehen
diese Qualifizierungen auf dem Seminarplan. Grundlage soll ein
Qualifizierungsprofil für Betriebsräte in Führungsposition sein. Dabei sind
Aspekte wie fachliche, kommunikative, persönliche oder politisch-moralische
Kompetenzen zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund der so genannten
„Betriebsräte-Affäre“ bei Volkswagen sind auch Punkte wie Charakterfestigkeit
zu diskutieren. Dabei gilt jedoch, dass Korruption ein grundsätzliches Problem
ist, das in vielen Betrieben sich in ganz verschiedenen Facetten vorfindet.
Personalentwicklung
Hierzu wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich
zunächst zur Aufgabe gemacht hatte, die Personalentwicklung des Unternehmens zu
begleiten.
Das Thema Personalentwicklung im Betriebsrat wurde
bisher sehr vorsichtig angegangen. Dabei konnten zwei wichtige Fortschritte
eingeleitet werden: Erstens konnten zunehmend Betriebsräte für Coaching-Maßnahmen
gewonnen werden. Hinsichtlich des Coachings gibt es dennoch Vorbehalte.
Möglicherweise wird dieses Instrument von einigen immer noch als Maßnahme für
psychisch schwache Menschen angesehen und grundsätzlich als Schwäche bewertet.
Aber auch für die Etablierung des Instruments Coaching gilt die Metapher: Der
Fortschritt ist eine Schnecke. Zweitens wurde eine so genannte Rotation
zwischen den Bereichen durchgeführt. Im Rahmen dieser Maßnahme besuchte je ein
Betriebsrat für eine Woche einen anderen Bereich, um die dortigen
Gegebenheiten, Probleme, Arbeitsweisen und die dortige Kultur kennen zu lernen.
Ziel war, dass Verständnis für die Arbeit der anderen Bereiche zu erhöhen und
die gegenseitige Kommunikation zu verbessern sowie das gegenseitige Vertrauen auszubauen.
Zudem gibt es die Möglichkeit, von den anderen zu lernen und eine Basis, für
eine über die Bereiche hinweg sinnvolle Standardisierung zu schaffen. Die
Bilanz nach der ersten Rotation fiel sehr positiv aus. Alle Teilnehmer waren
mit den gemachten Erfahrungen sehr zufrieden. Für weitere Rotationen wurde angedacht,
die Rotations-Phase auf mehrere Wochen auszudehnen.
Personalentwicklung wird aufgrund der
Altersstruktur innerhalb des Betriebsrates in den kommenden Jahren zwangsläufig
ein Thema und spiegelt damit die schwierige demografische Situation des Werkes
wider. So werden mit der jüngst abgeschlossen Altersteilzeit in den kommenden
acht Jahren rund zwei Drittel den Betriebsrat verlassen. Die Betriebsratsspitze
wird voraussichtlich zum selben Zeitpunkt geschlossen in die Altersteilzeit
gehen.
Qualifizierung
Das Thema Qualifizierung ist durch eine
Arbeitsgruppe bearbeitet worden. Diese Arbeitsgruppe ist mehrheitlich eine
Arbeitsgruppe der Vertrauenskörperleitung der IG Metall gewesen. Ziel war, die Betriebsräte
fachlich und überfachlich optimal zu qualifizieren. Durch die Arbeitsgruppe ist
eine Bestandsaufnahme bisheriger Qualifizierungsmaßnahmen sowie eine Umfrage zu
gewünschten Qualifizierungen bzw. Bedürfnissen durchgeführt worden. Damit gab
es einen Überblick über alle Qualifizierungen und welche Qualifizierungen aus
Sicht einzelner Betriebsräte notwendig wären sowie welche Arten der
Qualifizierung vorgezogen würden.
In einem nächsten Schritt wird eine
Qualifizierungsmatrix gestaltet werden. Hierbei muss es auch um das Thema
Führung gehen.
Tendenziell werden die überfachlichen Qualifizierungsbereiche
gegenüber den fachlichen von den Betriebsräten vorgezogen. Insbesondere in den
Schwerpunktbereichen Rhetorik, Verhandlungsführung, Moderation und Gesprächsführung
wurde Entwicklungsbedarf angegeben. Darüber hinaus bestand
Qualifizierungsbedarf im Umgang mit Computeranwendungen sowie im Bereich der
Arbeitssicherheit. Dabei werden persönliche Gespräche sowie
Computerqualifizierungen und Maßnahmen in Form von Tages- und Wochenseminaren
mit Übernachtungsmöglichkeit bevorzugt. Der geplante Zeitraum von
Qualifizierungsmaßnahmen pro Jahr ist jedoch sehr unterschiedlich.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die
Betriebsräte zukünftig verstärkten Bedarf im Bereich der überfachlichen
Qualifizierung sehen. In den vergangenen Jahren hat sich die Betriebsratsarbeit
zunehmend verändert. Während noch vor einiger Zeit die Wahrung gesetzlicher
Grundlagen wie Tarifverträge usw. im Vordergrund stand, ist nun die soziale Kompetenz
stark in den Vordergrund gerückt. Psychosomatische Erkrankungen, Suchtprobleme,
Stress- und Konfliktsituationen gehören nunmehr zum Arbeitsalltag und führen zu
fachlichen und quantitativen Überforderungen. Daher empfahl die Arbeitsgruppe
Schulungen in diesem Bereich.
Ein wichtiges Ergebnis ist die Beauftragung eines
Gremiums, dem geschäftsführenden Fraktionsvorstand, zu diesem Thema. Damit ist
mehr Transparenz und Akzeptanz geschaffen worden. Zudem ist es leichter, ein
Seminar abzulehnen, ohne dass persönliche Konflikte die Folge sind.
Übertragbarkeit
auf andere Betriebsratsgremien
Für alle Betriebsratsgremien ist das Thema Führung
wichtig – selbst wenn nur ein Betriebsrat existiert. Zur Erinnerung: Man
kann nicht nicht führen. Aufgaben und
Herausforderungen an Betriebsräte erfordern Führung. Deshalb ist es wichtig,
dieses Thema weiter aus der Tabuzone herauszuholen, um es besprechbar und
gestaltbar zu machen. Es ist auch für andere Betriebe wichtig, aus Grauzonen
herauszukommen und ein offensives Umgehen mit dem Thema Führung zu ermöglichen
und ein Verständnis hierfür zu schaffen.
Dabei ist es aus unserer Sicht wichtig, nicht zu
versuchen Unternehmensvorstellungen von Führung auf den Betriebsrat übertragen
zu wollen, sondern ein eigenes Verständnis von Führung zu entwickeln. So kommt
es darauf an, Führung im Betriebsrat mit einer kooperativen Umgehensweise zu
verbinden. [Ø HB Kap. 4.1 Führung im Betriebsrat] „Führen im Team“ ist aus
unserer Sicht ein wichtiges Stichwort. Dies erfordert aber bei den
Betriebsratsmitgliedern, Eigenverantwortlichkeit mit der Bereitschaft zu
Disziplin und Einordnung zu verbinden. Wo diese Verbindung zwischen Führung und
„Geführtwerden“ nicht gelingt, kommt es oft zu erheblichen persönlichen
Belastungen der Führungspersonen oder dem Ausweichen davor, Führung zu zeigen.
Beides ist nicht gut, weder für das Gremium noch für die Personen. Hier ist
Qualifizierung sinnvoll, denn die wenigsten sind für diese Aufgabe ausgebildet
worden.
Nicht nur weil im Team geführt werden soll, sondern
weil das Instrument der Teamentwicklung sich mehr als bewährt hat, ist die
Übertragung dieses Instrumentes sehr wichtig. Das Instrument ist zudem wichtig,
um das Thema Transparenz auch in schwierigen Zeiten herzustellen. Grundsätzlich
gilt für Gremien: Es muss ein Instrumentarium hergestellt werden, das
Transparenz herstellt. Und dieses Instrumentarium muss in gegenseitiges
Vertrauen eingebettet sein.
Betriebsräte sind hohen Anforderungen und vielen
Konflikten ausgesetzt, so dass Teamentwicklungen als integraler Bestandteil von
Betriebsratsarbeit angesehen werden müssen. Dabei ist zu erwähnen, dass
hinsichtlich der Teamentwicklung um Qualität zu gewährleisten ein sehr hoher
Aufwand in Emden betrieben wird. So dauert eine Teamentwicklung zweieinhalb
Tage, findet außer Haus statt und wird extern von der IG Metall-Bildungsstätte
durch einen Vertreter begleitet.
Im Sinne einer nachhaltigen Betriebsratsarbeit sind
zumindest Bestandteile von Personalentwicklung notwendig. Wichtig ist die
Stärkung einzelner Betriebsräte, zum Beispiel durch Coachingmaßnahmen. Auch
wird es notwendig sein, dem Thema Überlastung offensiv zu begegnen. So sind
Kuren oder präventive Maßnahmen wie regelmäßige gesundheitliche Checks
sinnvoll.
Um dies zu komplettieren, ist eine umfangreiche und
zielgenaue Qualifizierung notwendig. Für alle Betriebsratsgremien wird es
hilfreich sein, eine Matrix zu entwickeln, in der Anforderungen an Betriebsräte
mit Qualifizierungsangeboten verbunden werden. Dabei wird es neben der
fachlichen Qualifizierung wichtig sein, insbesondere die überfachlichen und
persönlichkeitsprägenden Komponenten zu berücksichtigen.
Zur Umsetzung dieser Themen hat sich die
Institutionalisierung dieser Aufgaben innerhalb bestehender Gremien bzw. in
Form von Arbeitsgruppen als positiv erwiesen. Dabei kommt es darauf an, ob es
eine fortlaufende Aufgabe oder ein zeitlich begrenztes Arbeitsfeld sein soll.
Wichtig für
die Zukunft, offene Fragen, Nachhaltigkeit
In der Zukunft wird es wichtig sein, die
Diskussionen zum Thema Führung in den Gewerkschaften und in der Politik zu
führen, mit der Folge möglicher Anpassungen der gesetzlichen Grundlage an die
Anforderungen moderner Betriebsratsarbeit. Darüber hinaus sollte das
gewerkschaftliche Bildungsangebot hierzu weiterentwickelt werden. Es wird aus
unserer Sicht eine über längere Zeiträume stattfindende professionelle
Begleitung geben müssen. Hier kommt es eher auf die Regelmäßigkeit als auf
längere einzelne Seminare an.
In Emden werden weitere Instrumente wie
„Persönliche Entwicklungsgespräche“ auf ihre Einsetzbarkeit geprüft werden. Es
wird zu entscheiden sein, ob die Zeit reif ist, um eine derartige Veränderung
umsetzen zu können. Denn nach wie vor besteht ein erhebliches Misstrauen
gegenüber derartigen Instrumenten, die etwas von „Bewertung“ und „Kontrolle“ in
den Augen vieler Betriebsräte haben. Dennoch liegt auf der Hand, dass ein
solches Instrument wichtig ist, um strategisch (Karriere) Personalplanungen
vornehmen zu können. Faktisch gibt es solche Gespräche, nur sind sie nicht systematisiert
und auch nicht offen.
Betriebsratsarbeit entwickelt sich zunehmend zu
einem anspruchsvollen Beruf, auf den Menschen vorbereitet und hingeführt werden
müssen. Wer glaubt, aus dem Stand erfolgreiche Betriebsratsarbeit leisten zu
können, irrt und wird sich oftmals überfordern und seiner Aufgabe nicht gerecht
werden. Schon frühzeitig müssen Menschen eine Orientierung bekommen, was auf
sie zukommt, wenn sie Betriebsrat werden wollen. Gleichzeitig ist es aber auch
wichtig, leistungsfähige und hochqualifizierte Menschen für Betriebsratsarbeit
gewinnen zu können. Dies wird nur gelingen, wenn Betriebsratsarbeit auch
Karriere bedeuten kann oder zumindest einen Teil einer beruflichen Karriere
bildet.
[Ø HB Kap.4.4 Bearbeitung Genderprozess]
Ausgangssituation,
Stärken und Probleme
In einem Unternehmen wie VW mit einer starken
Tradition in betrieblicher und gewerkschaftlicher Mitbestimmung ist das Ziel
der Gleichstellung von Frauen intensiv verfolgt worden. In der Vergangenheit
gab es vielfältige Aktivitäten und einige Erfolge, um die Situation der Frauen
zu stärken. Beispiele hierfür sind keine Entgeltdiskriminierung,
Teilzeitmöglichkeiten für alle, geschlechterneutrale Ausschreibungen etc. Der
Frauenanteil im Betriebsrat (8,1%) und im Vertrauenskörper (7,96%) entsprach im
Jahr 2008 gut dem Frauenanteil im Unternehmen (7,16%). Die Leitung des
Vertrauenskörpers hatte eine Frau inne, zwei von drei Frauen im Betriebsrat
waren Ausschussvorsitzende. Die zukunftsgestaltende Maßnahme, eine Mindestquote
weiblicher Auszubildenden zu erreichen, konnte erfolgreich umgesetzt werden
(zur Zeit der Berichterstellung waren 30,5% der Auszubildenden weiblich).
Dennoch wurde im Projektantrag die Stärkung der
Rolle der Frau als Teilziel aufgenommen. Die Bestandsaufnahme zeigte trotz oben
genannter Erfolge auch einige Probleme. Zum insgesamt geringen Frauenanteil im
Unternehmen hatte in der jüngeren Vergangenheit ein Angebot von
Aufhebungsverträgen zur Personalreduktion beigetragen. Aufgrund des
traditionellen Rollenverständnisses hatten sich mehrheitlich Frauen
entschieden, dieses Angebot anzunehmen - trotz zahlreicher Versuche der
IGM-Fraktion und des Betriebsrats, dem entgegenzuwirken. Ein weiteres Problem
stellte die geringe Präsenz von Frauen in Leitungsfunktionen im Werk dar. Ein
Frauenförderplan soll auf den Weg gebracht werden. Schließlich war der
Gleichstellungsausschuss grundsätzlich nicht mehr so präsent wie früher, er
tagte nur noch selten. Die Mitglieder bemängelten teilweise wenig Akzeptanz und
wenig Interesse im Betriebsrat bzw. in den Fraktionen für dieses Thema.
Zusätzlich erwies es sich als ungünstig, dass auf
der Unternehmensseite keine Ansprechpartnerin für das Thema Gleichstellung
benannt war.
Umsetzung
und Ergebnisse
Das Thema „Gender Mainstreaming“ in einer
traditionellen Mitbestimmungskultur einzuführen, bedeutet auch eine Veränderung
in der traditionellen gewerkschaftlichen Herangehensweise, die ihre Zeit
braucht. Hier geht es nicht nur um die Vertretung der Interessen von Frauen,
sondern die Herausforderung besteht darin, bei allen Vorhaben die
unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Männern und Frauen zu
berücksichtigen, beide Geschlechterrollen im Auge zu haben und für beide Seiten
nutzvolle Lösungen zu finden.
Im Mai 2008 und im Januar 2009 fand jeweils ein
Workshop mit dem Gleichstellungsausschusses, dem Fraktionsvorsitzenden, dem
internen Projektleiter und einer Jugend- und Auszubildendenvertreterin zum
Thema Gender Mainstreaming statt. Als Annäherung an das Thema wurde ein
Perspektivwechsel durchgeführt („Ich als Mann/Frau im Werk Emden“), der sehr
schön einerseits die Klischees aufzeigte, aber auch die Vor- und Nachteile der
beiden Rollen deutlich machte. Neben der grundsätzlichen Analyse bestand eine
herausfordernde Aufgabe darin, die Schwerpunktthemen „Familienfreundlichkeit“,
„Personalentwicklung“ und „Demografischer Wandel“ unter dem „Gender-Blick“ zu
betrachten und Ansatzpunkte für Ziele und Maßnahmen zu finden. Ergebnisse waren
unter anderem die inzwischen ausgehandelte garantierte Freizeit für werdende
Väter bei der Geburt ihres Kindes sowie eine tiefergehende Analyse des
demografischen Wandels unter dem Geschlechteraspekt. Darüber hinaus wurde die
Ansprechpartnerin des IGM-Vorstands für Gender-Fragen in die Fraktion
eingeladen, um breiter für dieses Thema zu sensibilisieren. Für den Ausschuss
gelang es, ein neues praktikableres Zeitfenster zu finden und einen
realistischen Arbeits- und Maßnahmenplan zu entwerfen.
Übertragbarkeit
auf andere Betriebsratsgremien
Um vor Ort etwas für die Belange von Männern und
Frauen erreichen zu können, braucht es Offenheit von allen Beteiligten für
dieses Thema. Das bedeutet: Weg von den herkömmlichen „Denkschubladen“ und
manchen eingefahrenen schwarz-weißen Mustern. Frauen wie Männer haben spezielle
Lebenssituationen, die Geschlechterrollen haben Vor- und Nachteile, Frauen
haben es nicht nur schlecht und Männer nicht nur gut. Alle haben zu diesem
Thema etwas beizutragen und alle können einen Nutzen daraus ziehen.
Der Gender-Ansatz braucht Promotorinnen und
Promotoren, die bei der Bearbeitung von Themen immer wieder den Blick auf
diesen Aspekt richten, immer wieder Fragen stellen, in wie weit die
Lebenssituationen von Männern und Frauen berücksichtigt werden. Das Thema wird
als weniger „künstlich“ wahrgenommen, wenn die Gender-Aspekte nicht abgetrennt
sondern direkt bei den anstehenden und drängenden Herausforderungen
berücksichtigt werden. „Gender als Methode“ bedeutet, systematisch die
Gender-Fragestellungen auf wichtige Inhalte zu beziehen und auf diese Weise in
die alltägliche Betriebsratsarbeit zu integrieren.
Darüber hinaus ist es wichtig, auf
Unternehmensseite einen Ansprechpartner zu haben, um Maßnahmen auch voranbringen
zu können.
Am allerwichtigsten ist es, in der Argumentation
den Nutzen für die Beteiligten darzustellen, der durch die Berücksichtigung des
Gender-Aspekts entsteht. Dies betrifft die Kommunikation zu den anderen
Fraktions- und Betriebsratsmitgliedern ebenso wie zu der Unternehmensseite.
Wichtig für
die Zukunft, offene Fragen, Nachhaltigkeit
Für die Zukunft wird es wichtig sein, die
Ergebnisse des Gleichstellungsausschusses nachzuverfolgen und die begonnene
enge Verzahnung zu wichtigen Themen weiter zu praktizieren. In weiterführenden
Diskussionen ist die Idee entstanden, das Gender-Thema als Beitrag zur
Humanisierung der Arbeit in Richtung Familienfreundlichkeit weiter zu
entwickeln und auszubauen. Auf diese Weise könnte ein attraktiver
Standortvorteil für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entstehen.
Die zukünftige Arbeitswelt wird weniger stark
männerdominiert sein als jetzt – die Zunahme weiblicher Auszubildender,
die Stärke weiblicher Schulabgänger etc. deuten in diese Richtung.
Betriebsratsgremien in produzierenden Unternehmen sind in der Regel durch
ältere Männer besetzt, die wiederum die Arbeitskultur prägen. Hier besteht die
Herausforderung darin, den Anschluss an die Entwicklung zu behalten, was die
Zusammensetzung der Gremien sowie die inhaltliche Bearbeitung von Themen
angeht.
[Ø HB Kap. 5 Kommunikation]
Kommunikation
des Betriebsrates |
|||
Arbeitsfelder |
Zusammenarbeit Betriebsrat / VL |
Kommunikation |
Kontakt vor Ort |
Ausgangssituation
/ Probleme
/ Stärken |
● Rolle der VL im Verhältnis zum Betriebsrat
nicht vollständig klar ● Große Vielfalt / Unterschiedlichkeit
zwischen den Bereichen, brisante Punkte ● Zu geringe Einbeziehung durch den
Betriebsrat schwächt VL-Arbeit |
● Ausgefeilte Kommunikation des Betriebsrats
VW Emden, aber zu unstet ● Allgemein in Deutschland meist
handgestrickte Kommunikation des Betriebsrats ● Professionelle Kommunikation in Zeiten der Betriebsratswahlen,
sonst eher punktuell ● Umständliche interne Kommunikation ● Fehlende technische Ausstattung |
● Unzufriedenheit der Betriebsräte, nicht
genügend vor Ort sein ● Wunsch/Druck der Belegschaft nach mehr
„Vor-Ort-Präsenz" ● Hohe Belastung bzw. hohe Anforderungen
durch ständigen Wechsel der Kommunikationssituationen und –themen |
|
|
|
|
Ziele |
Aus Projektantrag: ● Beschreibung einer klaren Rollenverteilung
zwischen Betriebsrats-Mitgliedern und Vertrauensleuten sowie der Kompetenzen
von VL Im Projekt: ● Zusammenarbeit zwischen Betriebsräten und
Vertrauensleuten verbessern ● Entlastung Betriebsräte |
Aus Projektantrag: ● Weiterentwicklung der Kommunikation im
Gremium und nach außen Konkretisiert im Projekt: ● neue Wege der Kommunikation mit der
Belegschaft ● Menschen sollen erreicht werden ● Überprüfung über Umfrage ● Neue Wege der Kommunikation des
Betriebsrats über Versammlungen, Medien, direkte Kommunikation ● Kommunikation verstetigen und
professionalisieren ● Zielgruppenorientiert kommunizieren |
● Organisierten Kontakt herstellen
● Mehr Vor-Ort-Kontakt ● Qualität des direkten Kontaktes verbessern |
|
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|
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Zielerreichung |
● Teilweise Integration von VL im Projekt ● Verstetigung der VL-Info durch Kennzahl und
deren Einhaltung |
● Kommunikation mit Hilfe von Erreichbarkeit und Kommunikation der Betriebsräte untereinander
verbessert ● Öffentlichkeitsarbeit verstetigt ● Organisation der Arbeit verbessert ● Sitzungen verbessert ● Imageumfrage weiterentwickelt |
● Regelmäßige Präsenz vor Ort durch
Infostände sowie über Teilnahme an Teamgesprächen ● Verbessertes Gesprächsverhalten |
|
|
|
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Aktionen
/ Maßnahmen |
● Versuch VL in AG einzubinden ● 3 VL-Konferenzen durchgeführt. ● Anspruch des Projektes hinsichtlich der VL
reduziert ● Besuch VL Konferenz durch S. Otto als
Externer war wichtige Wertschätzung |
● Fortentwicklung der Kommunikationsmaßnahmen
● Infostände/Kennzahl ● Kampagnearbeit – auch dezentrale
Kommunikationsmaßnahmen ● Qualifizierung zur Technik, Outlook Einsatz technischer Mittel von Handy über Beamer bis Outlook ● Imageumfrage weiterentwickelt und
durchgeführt ● Kennzahlen zu Werkszeitschrift, ● Intranet und Pressemitteilungen nachhaltig
verstetigt |
● Kennzahl zur Präsenz in Team-gesprächen ● Kennzahl zu Infoständen ● Verbesserung durch Schulungen wie
„Gemüseladen“ oder Rhetorik |
|
|
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Wichtig
für die Zukunft |
● Selbstverständnis/Rolle der VL klären und
ggf. entsprechende Qualifizierung für VL |
● Ergebnisse aus Befragung in Projekt
integrieren; wo Veränderungen, Hypothesen ● Kommunikation weiter verstetigen und weiter
qualifizieren ● Zielgruppenorientierung weiter verfolgen
und verbessern ● E-Kommunikation ausbauen ● Überdenken bisheriger Kommunikationsformen
wie die Betriebsversammlung |
● Ausweiten und verstetigen von Schulungen
zur direkten Kommunikation – ständiges Lernen erforderlich (nicht nur
Technik, sondern auch Stärken der Persönlichkeit von Betriebsräten) |
Ausgangssituation/Stärken
und Probleme
„Betriebsratsarbeit ist ein Kommunikationsjob“,
stellte ein Personalleiter bei Volkswagen fest. Damit beschrieb er ein
wichtiges Feld der Betriebsratsarbeit, das auch die Betriebsräte während des
Projektes immer wieder hervorhoben. In den Aussagen der Betriebsräte ging es
dabei vor allem um die Arbeit „vor Ort“. „Zeit für die Kolleginnen und
Kollegen“ zu haben wurde immer wieder genannt, wenn es darum ging, wann eine
verbesserte Betriebsratsarbeit spürbar wäre.
Damit war früh klar, dass die Kommunikation im
Projekt eine wichtige Rolle einnehmen würde. Das oben genannte Erklärungsmodell
hebt diese Kompetenz ebenfalls hervor: Der Betriebsrat ist zentraler Akteur
inmitten eines betrieblichen und überbetrieblichen Spannungsfeldes. Um ihn
herum sind unterschiedlichste Akteure: Vom Management über regionale
Institutionen bis hin zur Belegschaft. Nur eine gute Kommunikation stellt
sicher, dass die Belegschaft die Arbeit des Betriebsrates nachvollziehen kann,
Meinungen der Belegschaft an den Betriebsrat kommen und der Betriebsrat in den
Wahlen ggf. auch bestätigt wird. Und nur eine gute Kommunikation mit den
unterschiedlichsten Unternehmensvertretern ermöglicht eine erfolgreiche
Verhandlungsführung. Zusätzlich zu der Kommunikation mit den
Unternehmensvertretern und der Belegschaft, muss auch die Kommunikation
innerhalb des Betriebsrates, zwischen den Betriebsratsmitgliedern, gut
funktionieren.
Kommunikation verläuft zumindest über zwei Ebenen.
Zum einen auf der persönlichen, zum Beispiel im Rahmen eines persönlichen
Gesprächs und zum anderen auf der Ebene der Massenkommunikation.
Betriebsräte waren und sind in ihrem Alltag extrem
unterschiedlichen Kommunikationssituationen ausgesetzt: So konnte einem
strategischen Gespräch mit Cost-Center-Leitung unmittelbar eine hitzige
Auseinandersetzung mit aufgebrachten Kollegen folgen, deren Urlaub gerade
abgesagt wurde. Oder ein Gespräch über eine persönliche Tragödie schloss sich
einer Diskussion mit Vertrauensleuten an, die sich gerade über
Rationalisierungsmaßnahmen des Managements beschwert haben. Diese
Situationswechsel waren Teil des Alltags von Betriebsräten und führte zum Teil
zu Überlastungen und zu dem Gefühl letztlich niemandem mehr gerecht zu werden.
Dabei waren einige Gesprächssituationen für sich genommen schon anspruchsvoll
– sowohl fachlich als auch überfachlich.
Auf Ebene der Massenkommunikation waren zu
Projektbeginn in der IG Metall-Fraktion bereits erhebliche Leistungen erbracht
worden. So gab es bereits seit 2001 ein Kommunikationsteam, das zum Teil extern
begleitet wurde. Die Stellung des Beraters, der Praxis Agentur aus Bremen,
wuchs mit den Jahren und mit den gemeinsam erarbeiteten Ergebnissen.
Schrittweise wurden Mitglieder des Kommunikationsteams geschult, so dass ein
zunehmendes Verständnis für die Bedeutung von Öffentlichkeitsarbeit entstand.
Die Arbeit des Teams wurde mit dem Wahlkampf zur Betriebsratswahl 2006 mehr als
akzeptiert: Die Vorgaben des Teams mussten auf Grundlage eines Fraktionsbeschlusses
umgesetzt werden.
Die Kommunikation verlief auf Basis einer
Werteumfrage, bei der die Werte der Belegschaft abgefragt wurden. Die Werte
Familie, Sicherheit/Schutz und Gerechtigkeit stellten sich als besonders
wichtig für die Mitarbeiter heraus. Aus dieser Umfrage wurden die Werte für den
Wahlkampf abgeleitet und Anknüpfungspunkte gefunden, um mit den eigenen
Botschaften von der Belegschaft wahrgenommen zu werden. Darüber hinaus wurde
die Kommunikation teilweise „lokalisiert“. Jeder Vertretungsbereich bekam sein
Medium, um zielgruppenorientiert kommunizieren zu können.
Vor Ort zu sein wurde 2006 mit den so genannten
„Info-Ständen“ systematisiert. Damit gab es eine Antwort auf folgendes Dilemma:
Rein rechnerisch hatte jeder Betriebsrat über 270 Beschäftigte zu betreuen. Ein
Verhältnis, das eine persönliche Betreuung faktisch kaum möglich macht. Mit den
Info-Ständen vor Ort wurden Gesprächsangebote gemacht, die Betriebsräte wurden
gesehen, so dass sie für die Belegschaft „greifbar“ waren. [Ø HB Kap.2.1 Gestaltung von Informations- und
Dialogveranstaltungen zwischen Betriebsräten und Vertrauensleuten] Über lokale Flugblätter mit den Ergebnissen
wurden Kommunikationskreisläufe geschlossen und einem größeren Personenkreis
erschließbar gemacht.
Die Qualität der IG Metall-Betriebsratsarbeit und
ihrer Kommunikation wurde seit 2002 in Zusammenarbeit mit der Praxis Agentur
und mit Hilfe einer sogenannten Imageumfrage gemessen. Wir gingen davon aus,
dass ein gutes Image zentral für erfolgreiche Betriebsratsarbeit ist. Deshalb
wollten wir wissen, wie es um unser Image in der Belegschaft stand und haben
mit Hilfe des Polaritätenprofils eine Umfrage vorgenommen [Ø HB Kap. 5.1 Analyseinstrument Regelmäßige
Imagebefragung mit dem Polaritätenprofil]. Jedes Jahr zur selben
Zeit wurden 1.700 Blätter ausgegeben, mit deren Hilfe die Belegschaft
Rückmeldung gab. Die Ergebnisse fließen in die Weiterentwicklung der
Betriebsratsarbeit ein.
Das größte Problem der Öffentlichkeitsarbeit war
die mangelnde Stetigkeit. Insbesondere zwischen den Wahlkämpfen ließ für viele
der Betriebsräte die Bedeutung der Kommunikation nach, so dass sie letztlich
nicht nachhaltig verlief.
Der Kontakt mit den und über die Vertrauensleute
galt insbesondere aus Unternehmenssicht als vorbildlich. Nicht wenige Manager
waren neidisch auf das eingespielte Kommunikationssystem mit den
Vertrauensleuten, das für eine gute Verbindung mit der Belegschaft sorgte.
Dennoch stellte die Arbeit mit den Vertrauensleuten eine große Herausforderung
dar. Schließlich hatten die Betriebsräte nicht nur positive Nachrichten zu
übermitteln, sondern auch Kompromisse, die gut erklärt werden mussten.
Umsetzung
und Ergebnisse
Ein wichtiges Ergebnis des Projektes ist, dass die
schwierigen Gesprächssituationen besprechbar wurden. So gab es Befürchtungen,
dass dies als persönliche Schwäche ausgelegt werden könnte, anstatt als Ergebnis
einer realen Überforderung, die angesichts der Anforderungen eine gewisse
Normalität bekommen hatte.
Mit Schulungen im Bereich der Gesprächsführung u.
ä. reagierte der Betriebsrat in der Projektzeit auf die genannten schwierigen
Situationen. Zudem wurde in Zusammenarbeit mit der Praxis Agentur ein
Seminarkonzept angeboten, das speziell auf die Herausforderungen persönlicher
Kommunikation abgestellt war. Es ging darum, den Nutzen, den die Belegschaft
aus den Leistungen der Betriebsratsarbeit hat, herauszuarbeiten und
vermittelbar zu machen.
Für die
strategische Kommunikation und Werbung hat die Praxis Agentur die Methode
„Gemüseladen“ entwickelt [Ø HB Kap. 5.3: Beispielvorlage Prozess Gemüseladen]. Die Methode hilft Betriebsräten und Vertrauensleuten, die besten
Nutzen zu finden und ihre Zielgruppen zu begeistern. Ähnlich zu dem Einkauf
eines Gemüseladenbesitzers für sein Sortiment, sollen dem Modell nach, auch die
Anbieter von Dienstleistungen ihre Leistungen anbieten.
Zuerst wird der Nutzen für die ausgewählte
Zielgruppe ausgesucht. Bei der Bestimmung der Zielgruppen helfen die
Sinus-Milieus und berufliche Milieus wie Entwickler, Facharbeiter oder
Studenten.
Die Nutzen können daraufhin präsentiert werden. Die
besonders aktuellen Nutzen werden der Zielgruppe besonders präsent
"angeboten".
Auf den Altar kommen die Nutzen, die den Kunden
wirklich wichtig sind. Nicht nur aktuell, sondern grundsätzlich. Hier werden im
"Gemüseladen" die Werte konserviert. Sie schaffen Vertrauen.
Damit der Kunde wiederkommt, muss präsentiert
werden, welche Nutzen in Zukunft angeboten werden. Alle anderen Nutzen gehören
in das "Regal". Mit ihnen kann der Betriebsrat nur dann punkten, wenn
sich der Kunde bereits Interesse zeigt. Dafür muss aber zunächst sein Interesse
geweckt worden sein.
Nutzen des Gemüseladens:
1.
Nutzen begeistert
2.
Nutzen lassen Bilder entstehen. Und Bilder lassen sich besser merken
3.
Unterschiedliche Zielgruppen erfordern unterschiedliche Gemüseläden
4.
Gute Kommunikation planen und besser texten
5.
Bessere Reden schreiben
6.
Kampagnenslogan einfacher finden
7.
Öffentlichkeitsarbeit auf den Punkt bringen
In der Schulung mit den Betriebsräten wurde
Gesprächsführung vor Ort mit Kolleginnen und Kollegen behandelt. Dabei wurde
deutlich, dass Veränderungen in der Kommunikation der Betriebsräte notwendig
sind. Es geht nicht nur darum, den Beschäftigten Probleme abzunehmen und sie
für sie zu lösen. Verstärkt wird es darum gehen, die Beschäftigten zu
unterstützen, ihre Probleme selbst zu lösen und von dem Betriebsrat
Unterstützung zu bekommen. Die Zahl derjenigen Kolleginnen und Kollegen, die
ihre Probleme selbständig lösen und den Betriebsrat als Fachberatung und als
Begleiter auf dem Weg zu „ihrer“ Lösung ansehen wird steigen.
Die Nachhaltigkeit der Kommunikation wurde im
Rahmen des Projekts über verschiedene Kennzahlen hergestellt. Dabei ist
besonders hervor zu heben, dass sich die Betriebsräte verpflichtet hatten, eine
bestimmte Anzahl von Teamgesprächen zu besuchen. Zudem wurden Kennzahlen für
die Anzahl der Info-Stände in den Bereichen vereinbart. Damit ist dem Projekt
eine Form der Standardisierung gelungen, die seitens der Bereiche sowie
einzelner Betriebsräte lange Zeit abgelehnt und blockiert worden war.
Ein wichtiger Schritt war die Ausstattung aller
Betriebsräte mit Mobiltelefonen, so dass eine deutlich bessere Erreichbarkeit
aus Sicht der Belegschaft möglich wurde. Hinzu kam, dass die Kommunikation
innerhalb des Betriebsrates dadurch leichter und schneller wurde. Auch die
durchgeführten Qualifizierungen zu „Outlook“ haben Kommunikation und
Arbeitsorganisation verbessern können. Die Ausstattung sowie die darauf
bezogene Qualifikation der Betriebsräte in den Hallen mit technischen
Einrichtungen wie Beamer etc. hat die Kommunikation mit Vertrauensleuten
verbessert.
Hinsichtlich der Arbeit mit den Vertrauensleuten
hatte sich das Projekt Grenzen gesteckt. Von den insgesamt 400 Vertrauensleuten
wurde mit rund 70 Vertrauensleuten der so genannten
Bereichsvertrauenskörperleitungen im Rahmen dreier Konferenzen gearbeitet. Dort
sind Themen wie die Zusammenarbeit mit den Betriebsräten diskutiert worden.
Hier hatte sich ein Diskussionsfeld eröffnet, inwieweit Vertrauensleute in die
Betriebsratsarbeit einbezogen werden sollten, ohne dass dadurch ihr Einfluss
als „politisches Korrektiv“ vermindert würde. Eine Kennzahl, die gut umgesetzt
wurde, war die Anzahl der jährlichen Informationsveranstaltungen für die Vertrauensleute.
Das Projekt hatte mit dem Aufwerfen von diesen Fragen und die Kommunikation
über das Projekt hinsichtlich des Vertrauenskörpers seine Grenzen erfahren, da
für eine intensivere Bearbeitung des Feldes nicht genug Ressourcen zur
Verfügung standen.
Übertragbarkeit
auf andere Gremien
Das Thema Kommunikation ist für jeden Betriebsrat
von großer Bedeutung, egal wie groß er ist. Dabei sind kleinere Betriebe
weniger von dem Thema der Öffentlichkeitsarbeit über Massenkommunikationsmittel
betroffen. Dort wird vornehmlich über den persönlichen Kontakt kommuniziert.
Aber auch hier gelten Regeln, wie richtig kommuniziert wird. Ob es das
"Gemüseladenkonzept" oder die "Wertorientierte Ansprache" [Ø HB Kap. 5.1.2 Analyseinstrument: Fragebogen zur
Identifizierung des Wertesystems der Belegschaft] ist. Mit dem Gemüseladen
haben wir eine Methode angewandt, die für alle Betriebsräte wichtig ist.
Dennoch bleibt darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um eine Methode
handelt. Gibt es Ängste vor Gruppen, frei zu reden, kann diese Methode
Sicherheit geben. Es sind jedoch keine Wunder zu erwarten und aus einem
ängstlich-schüchternen Menschen wird auch kein Kommunikationsprofi.
In vielen Betrieben, ob klein oder groß, wird dem
Thema Kommunikation zu wenig Bedeutung beigemessen. Aus unserer Sicht sind
Qualifizierungen zu diesem Thema sehr sinnvoll, auch eine zielgenaue Beratung
ist hilfreich. Ein etabliertes Gremium, das über ein angemessenes Budget und
Ausstattung verfügt, ist wichtig, um professionell und konstant arbeiten zu
können.
Die richtige technische Ausstattung sowie die dazu
gehörige Qualifikation der Betriebsräte kann ein Schlüsselfaktor in der
Kommunikation der Betriebsräte werden. Hier kommt es auf die jeweiligen
Gegebenheiten des Betriebes an. Nicht selten stellen relativ hohe Kosten ein
Hindernis für die Einführung technischer Medien dar. Dennoch stellt der
kommunikative und organisatorische Fortschritt ausreichend Vorteile dar, um
dies zu rechtfertigen. Und: Auf Managementseite sind diese technischen Voraussetzungen
normal bzw. sie werden sogar zwingend eingefordert. Betriebsräte sollten
deshalb allemal auf gleichwertige Ausstattung drängen – sofern es aus
ihrer Sicht sinnvoll erscheint.
Wichtig für
die Zukunft, offene Fragen, Nachhaltigkeit
In einer Welt, in der die Medien immer wichtiger
werden, ist die Kommunikation eine wichtige Disziplin der Betriebsratsarbeit
und muss dementsprechend seinen Stellenwert bekommen. Zukünftig werden die
elektronischen Medien wichtiger werden, da jüngere Kolleginnen und Kollegen
diese Medien viel intensiver nutzen als dies noch bei den Älteren der Fall war.
Die Fortsetzung der Qualifizierungen zu diesem Thema ist unerlässlich. Dies
gilt sowohl für das Thema Öffentlichkeitsarbeit als auch für die persönliche
Kommunikation. Hier ist auf die Bedeutung im Zusammenhang mit der zu
erstellenden Qualifizierungsmatrix hinzuweisen.
Trotz aller Nachhaltigkeit über Kennzahlen
erfordert gute Kommunikation viel Kreativität. Sie muss Raum bekommen, damit
auch Faktoren wie Spaß nicht untergehen. Zudem könnte über eine weitere
Vernetzung mit effektivem Einsatz der Ressourcen gute Öffentlichkeitsarbeit
betrieben werden. Dies gilt nicht nur für Gesamtbetriebsratsstrukturen, sondern
auch für Regionen, die über die jeweiligen Verwaltungsstellen zusammengefasst
werden. Die lokalen bzw. regionalen gewerkschaftlichen Einrichtungen könnten
diesbezüglich wichtige Impulse für eine überbetriebliche Zusammenarbeit geben.
Die weitere Verzahnung der kommunikativen
Instrumente mit der Organisation und Durchführung der Betriebsratsarbeit ist
eine wichtige Aufgabe. Wie können die Ergebnisse aus den regelmäßigen
Imageumfragen noch besser für die Betriebsratsarbeit genutzt werden?
In der Zusammenarbeit mit den Vertrauensleuten
steht die Klärung ihrer Rolle an. Einerseits sind sie unverzichtbarer Teil
einer Kommunikation in Großbetrieben, andererseits ist ihre Aufgabe nicht
darauf zu verkürzen. Vertrauensleute haben eine gewerkschaftliche Aufgabe und
sind in gewisser Weise ein gewerkschaftliches Korrektiv. Gerade vor dem
Hintergrund kompromisshafter Verhandlungen mit dem Management ist es wichtig,
dass Vertrauensleute ihre und die Meinung der Belegschaft transportieren, um
einen demokratischen und stabilen Willensbildungsprozess zu ermöglichen. Die
Wahrung der Unabhängigkeit der Vertrauensleute ist deshalb unerlässlich.
Andererseits sind Betriebsräte – gerade in Großbetrieben (da sich mit
zunehmender Belegschaftszahl der Betreuungsschlüssel durch Betriebsräte
verschlechtert) – auf eine Zusammenarbeit mit Vertrauensleuten in der
alltäglichen Interessenvertretung angewiesen. In diesen Fall agieren
Betriebsräte oft in einer Art Führungsrolle (siehe oben) gegenüber den
Vertrauensleuten, die die jeweiligen Prozesse vor Ort begleiten bzw. umsetzen.
In diesem Spannungsfeld ist das Verhältnis zwischen Betriebsräten und
Vertrauensleuten immer wieder zu klären, um letztlich beides zu ermöglichen:
Politisch-gewerkschaftliches Korrektiv und
eine effektive alltägliche Vertretung der Belegschaft.
Eine Herausforderung für die Betriebsratsarbeit
wird sein, eine Arbeitsweise für Marketing, Kommunikation und
Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln, die die Erfahrung der Medienkommunikation
mit den spezifischen Aufgaben von politischer- und Vertretungsarbeit innovativ
verbindet und neue Formen der Beteiligung entwickelt. Gerade vor dem
Hintergrund junger und hochqualifizierter Beschäftigter sehen wir hierin einen
wichtigen Ansatzpunkt, um diese Beschäftigtengruppen als Betriebsrat und
Gewerkschaft zu erreichen.
Projekte wie diese unterliegen verschiedenen
Faktoren, die den Verlauf und Ausgang erheblich beeinflussen. So hängt der
Prozess von Strukturen oder von Menschen ab, die das Projekt prägen. Aber auch
Komplexität, Inhalte und Dauer stellen wichtige Einflussgrößen dar. Da das
Projekt über zweieinhalb Jahre angelegt war und die Projektleitung eine große
Komplexität erwartet hatte, war vorherzusagen, dass das Projekt nicht
gleichförmig verlaufen würde. Es würde Höhen und Tiefen geben, es würde
Erfolge, aber auch Krisen geben, es würde Zeiten mit hoher Intensität und viel
Tempo geben, aber auch Phasen in denen weniger geschehen würde. Um diese Unterschiedlichen
Phasen und Dynamiken steuern und gut nutzen zu können, ist eine Struktur
gewählt worden, die dem gerecht wird. Es wurde darauf geachtet, dass sich
verschiedene Gruppen des Betriebsrates bzw. der IG Metall-Fraktion in dem
Prozess wiederfinden würden. Dabei wurde dem Projektteam eine zentrale Rolle
zugewiesen. In Verbindung mit dem Lenkungsausschuss sollte die
Betriebsratsspitze eingebunden sein, während das Kernteam Reflexion und
Vorbereitung leisten sollte.
Dennoch ist nicht vollständig vorhersehbar, wer
sich wann und wie stark einbringt, wann die Zeit reif ist, um diffizile Themen
zu bearbeiten. So hatten wir uns, wie oben beschrieben, für ein
prozessorientiertes Projektmanagement entschieden, das offen ist und die
Dynamiken und Energien innerhalb des Betriebsrates aufgreift. Dadurch hat es
beim Projektteam in Verbindung mit der wichtigen Frage der Struktur der
Fachausschüsse gravierende Ergänzungen gegeben: Dem Team ist der
Betriebsratsvorsitzende teilweise und sein Stellvertreter vollständig
beigetreten. Damit wurde der Frage der richtigen Struktur so viel Gewicht
gegeben, dass die IG Metall-Fraktion sich in der Folge im Rahmen einer Klausur
diesem Thema gewidmet hat. Wichtige Ideen wurden so geboren und in die Fraktion
getragen. Gerade bezüglich der „großen“ Fragen innerhalb des Projektes hat sich
gezeigt, dass es unterschiedliche Promotoren bei den zentral eingesetzten
Betriebsräten gab.
Auf der anderen Seite hatte es sich bewährt,
bisherige etablierte Strukturen zu nutzen. So war das Lenkungsteam identisch
mit dem geschäftsführenden Vorstand der IG Metall-Fraktion, was Kontinuität
gewährleistete.
Der häufige Wechsel von Unterstützern und Kritikern
gegenüber dem Projekt ist ein wichtiges Kennzeichen des Projektes gewesen, das
es in konstruktive Energie zu überführen galt. So sind in der Projektlaufzeit
erst sich noch relativ kurz im Amt befindende Betriebsräte zu Unterstützern des
Wandels geworden, deren Motivation es aufzugreifen galt. Gleichzeitig bekamen
Kritiker ihren Sinn: Gerade in der Projektkrise ist es wichtig, die kritischen Punkte
zu benennen und zu klären. So gab es nach zweidrittel der Projektzeit eine
Krise, die eine Klärung herbeiführte und damit neue Energien frei setzte um
weitere Fortschritte herbeizuführen.
So genannte Ruhephasen sind wertvoll, um Prozesse
zu reflektieren und Ideen zu generieren. Hierfür muss es Raum und ein
bestimmtes Setting geben. So gaben Kernteamsitzungen sowie die Arbeitstagungen
der internen und externen Projektleitung wichtige Möglichkeiten, neue Wege zu
entwickeln.
Entscheidende Projektimpulse gaben äußere Termine
bzw. Institutionen. So waren die jeweiligen Beiratstermine sowie die
Betriebsrätekonferenz wichtige Etappen, die einen äußeren Druck erzeugten und
auf diesem Wege Prozesse beschleunigten. Auch wurde dadurch der Verantwortungsfokus
hinsichtlich einiger Punkte gestreut. Insbesondere in der Frage der
Ausschussstruktur wurde auch auf den Beirat verwiesen, so dass nicht nur die
Projektpromotoren als ständige „Veränderer“ wahrgenommen wurden. Auf diesem
Wege konnte die Diskussion zumindest zum Teil weg von Personen hin zur Sache
geführt werden.
Die begleitende Beratungsfirma hat den Ansatz „Evolutionsmanagement“
entwickelt, bei dem es darum geht, für die Entwicklung von Organisationen von
der Natur und der Entwicklung der Evolution zu lernen und
Organisationsentwicklung in eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung zu
integrieren. Elemente dieses Ansatzes waren in das Projekt integriert und sind
an anderer Stelle, z.B. bei der Darstellung eines evolutionären
Projektmanagements und des prozessoffenen Vorgehens im Projekt, schon erwähnt
worden. Eine von Beginn an gemeinsame Haltung von Projektbeteiligten im Werk und
externen Begleitern hinsichtlich der Bedeutung nachhaltiger Betriebsratsarbeit wird
deutlich an der bereits erwähnten aktiven Politik des Betriebsrates für eine „grüne
Fabrik“ und ein nachhaltiges Wirtschaften des Unternehmens. Unterstrichen wurde
diese Haltung durch die Gründung der Belegschaftsgenossenschaft für den Bau von
Solaranlagen auf Werksdächern.
Evolutionsmanagement sieht ein Unternehmen als
einen lebenden Organismus, der sich wie ein Organismus in der Natur verhält.
Dieser Organismus hat zunächst sein eigenes Leben und das Streben nach
Überleben im Mittelpunkt. In dem in Kapitel 3 dargestellten Erklärungsmodell
des Projektes wird deutlich, dass gerade der Betriebsrat als Vertreter der
Beschäftigten, sich intensiv für das Überleben des Unternehmens einsetzt und
diese Maxime eine klare Handlungsanweisung und Leitlinie darstellt.
Ein weiterer wichtiger Ansatz im Evolutionsmanagement
ist, Systeme/Organisationen aus einer evolutionären Perspektive zu betrachten. Sie
werden nicht in erster Linie danach betrachtet wie sie sind, sondern wo sie
herkommen und wie sie sich weiterentwickeln. In diesem Zusammenhang
entwickelte Methoden, wie z.B. die Darstellung der vergangenen und zukünftigen
Entwicklung der Organisation in Sandkästen, waren im Projekt hilfreich. Aus
Sicht der externen Begleitung ging es während des Projektes darum, die
evolutionäre Entwicklung des Betriebsrates in Emden zu begleiten anstatt Konzepte
von Außen „überzustülpen“. Dafür war es notwendig, offen zu sein für
Entwicklungen, die so vorher noch nicht absehbar waren, aber neue Chancen
bieten konnten, wie z.B. die intensive Integration des Themas „Führung“ in das
Projekt.
Eine weitere wichtige Metapher ist das Thema
Schwarmintelligenz. Schwärme in der Natur agieren außerordentlich synchron und
erfolgreich bei der Nahrungssuche und der Gefahrenabwehr, ohne dass es dabei
eine hierarchische Führung (z.B. durch einen „Leitfisch“) gibt. Vielmehr werden
bestimmte Schwarmregeln eingehalten und Prinzipien der Selbstorganisation
gelebt. Übertragen auf Unternehmen bedeutet dies, die Belegschaft stärker in
die Entwicklung des Unternehmensweges einzubeziehen mit ihren Ideen und ihrer
Umfeldwahrnehmung. Man kann die Mitbestimmung durchaus als eine Form der
Integration von Schwarmintelligenz in das Unternehmen betrachten. Im Projekt
waren es die vielen Workshops und Klausuren, durch die eine starke Einbeziehung
aller Beteiligten mit ihren Ideen und Meinungen in den Projektablauf erreicht
wurde.
Insgesamt gesehen spielt das Thema Nachhaltigkeit
im gewerkschaftlichen und im bundesdeutschen Betriebsratsfeld noch keine große
Rolle und es wäre wünschenswert, dass Betriebsräte und Gewerkschaften an diesem
Punkt noch eine aktivere Rolle einnehmen könnten. Die vergangenen Jahre haben
gezeigt, dass gerade auch am Thema Arbeitsplatzerhalt und Entstehung von neuen
Arbeitsplätzen das Thema „nachhaltiges Wirtschaften“ eine sehr positive Rolle
gespielt hat.
Die einzelnen Ziele in den Arbeitsbereichen des
Projektes wurden bereits in den vorherigen Kapiteln angesprochen (siehe insbesondere
Kapitel 6). Zum Abschluss des Berichtes möchten wir auf einige, aus unserer
Sicht fundamentale, Ergebnisse eingehen, durch die sich der Projekterfolg
ebenfalls definiert. Im Laufe des Projektfortschritts stellte sich mehrfach
dar, dass die Ergebnisse des Projektes nicht immer leicht „greifbar"
waren, wie dies z.B. der Fall war bei der Verbesserung der Kommunikation durch
stärkere und bessere Nutzung der elektronischen Medien oder die Einführung von
Tools, die rasch angewandt werden konnten.
Ein wichtiges, wenngleich weniger
„greifbares", Ergebnis des Projekts war beispielsweise die
Zusammenbringung von weichen und harten Faktoren. Der Betriebsrat hat sich von
einer starren Organisation zu einer Organisation in Bewegung gewandelt. Es
wurden Themen bearbeitet, die anfangs von vielen so nicht für möglich gehalten
wurden. In der Organisation ist Transparenz und Offenheit entstanden, die in
dieser Form vor dem Projekt nicht bestand. Es sind Mauern zwischen den
Bereichen untereinander und den Bereichen und den zentral eingesetzten
Betriebsräten abgebaut worden. Entscheidend für diese Entwicklung war, dass die
Dialog- und Diskussionskultur im Betriebsrat gestärkt wurde. Es wird inzwischen
in einer verbesserten, respektvolleren Form miteinander kommuniziert –
eine Verbesserung weit über die reine Verbesserung durch elektronische
Hilfsmittel hinaus.
Aber nicht nur in der Kommunikation spiegelt sich
wider, dass der einzelne Betriebsrat inzwischen ganzheitlicher gesehen wird.
Der Fokus liegt nicht mehr nur bei seinen Fachaufgaben, sondern in seiner
gesamten Persönlichkeit und es gibt einen höheren Respekt für Einzelne.
Dennoch entstehen selbstverständlich auch weiterhin
Konflikte und Spannungen in der Betriebsratarbeit. Es konnte vermittelt werden,
dass Konflikte ein normaler Bestandteil erfolgreicher Arbeit sind und dafür ein
Instrumentarium zur Bewältigung benötigt wurde. Insgesamt hat sich die Arbeit
vor Ort in den Bereichen qualitativ verbessert und die hierarchieübergreifende
Projektorganisation hat es einzelnen Betriebsräten ermöglicht, sich zu bewähren
und weiterzuentwickeln. Dadurch sind Einzelne positiv in den Vordergrund
getreten. Dass das Projekt über den relativ langen Projektzeitraum stetig
vorankam, trotz der hohen Tagesarbeitsanforderungen, war ein großer Erfolg und
ist zu einem erheblichen Teil dem langen Atem und der Motivation Einzelner
zugute zu halten.
Ein weiterer Erfolg war aus unserer Sicht die
Besprechung und Behandlung der Projektthemen auf der Betriebsrätekonferenz im
September 2009. Die Konferenz zeigte, dass Themen angegangen wurden, die für
viele Betriebsräte aktuell und wichtig sind.
Die Organisationsform „Projektarbeit", die das
Projekt selbst insgesamt umrahmt und geformt hat, wurde gleichzeitig innerhalb
des Betriebsrates als Werkzeug für zukünftige Veränderungsprozesse und zur
Aufgabenbewältigung gestärkt. Dadurch wurde der Betriebsrat in seiner
Arbeitsorganisation voraussichtlich nachhaltig gestärkt.
Eine Evaluation auf der IGM-Fraktionsklausur im
November 2009 zeigte anhand einer Schulnotenskala, dass das Projekt von den
Beteiligten insgesamt positiv wahrgenommen wurde:
Evaluationsergebnis |
|
Teilnehmerzahl: 34 |
|
Fragen |
Ergebnismittelwert |
Das Projekt hat uns in unserer
Arbeit vorangebracht. |
2,4 |
Das Projektteam hat
folgendermaßen gearbeitet. |
2,2 |
Die Projektleitung (Ralf
Behrens, Stephan Otto) hat folgendermaßen gearbeitet. |
2,2 |
Über die Projektlaufzeit von ungefähr zweieinhalb
Jahren entwickelte sich für alle Projektbeteiligte ein großer Erkenntniszuwachs.
Wesentliche „lessons learned" möchten wir an dieser Stelle herausgreifen,
um zukünftige Veränderungsprozesse, auch in anderen Gremien, zu unterstützen.
Besonders stark zu beobachten war die große
Hemmschwelle einiger Projektbeteiligter, emotional aufgeladene Themen in
bestimmten Phasen des Projektes anzugehen. Für die Projekttreiber stellt sich
bei Widerstand die Frage, ob die Themen mit großer Kraftanstrengung bearbeitet
werden sollen (und können) oder ob die Themen zunächst nicht oder anders
bearbeitet werden. Im Projekt hat sich eine flexible Themenbearbeitung bewährt.
Das bedeutet nicht, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, sondern
emotional beladene Themen mit einer angemessenen Geschwindigkeit zum richtigen
Zeitpunkt anzugehen. Wenn man versucht Druck zu machen, entsteht eher
Widerstand.
Es ist aus unserer Erfahrung außerdem ratsam,
achtsam zu sein, welche Personen zu welchem Zeitpunkt stärker in ein Projekt
eingebunden werden, auch über die Projektstruktur hinaus. Die
Projektbeteiligten sollten daher regelmäßig erhoben und geprüft werden.
Trotz der verhältnismäßig langen Projektlaufzeit,
ist es gelungen, einen stetigen Fortschritt zu erzielen. Es war erstaunlich,
dass es stets eine kleine Gruppe von Projektpromotoren gegeben hat, die das
Projekt voran gebracht hat, wobei sich allerdings die Gruppenmitglieder im
Prozess verändert haben. Wenn Einzelne weniger Verantwortung übernommen haben,
ergaben sich Möglichkeiten für Andere, sich stärker für das Projekt einzubringen.
Es braucht einen Kern von Promotoren, diese können aber auch personell
wechseln.
Der direkte Kontakt zu den Projektbeteiligten ist
sehr wichtig. Um das Projekt bei allen Beteiligten zu verankern, reicht es
nicht aus, ausschließlich mit Multiplikatoren zu arbeiten. Grade bei der
externen Begleitung von Projekten ist es wichtig, einen persönlichen Kontakt
herzustellen.
Die Fraktion hätte 2008 stärker in den Prozess
eingebunden werden sollen, um Akzeptanz und Verständnis zu wecken. 2009 ist im
Projekt die Einbindung besser gelungen.
Wie in den vorherigen Kapiteln beschrieben, ist
gute Kommunikation in der Betriebsratsarbeit sehr wichtig. Auch für
erfolgreiche Projektarbeit ist gute Kommunikation kaum zu überschätzen. Der
Kreis jener, die das Projekt „Mit
System zum Erfolg" nach außen tragen und das Projekt in seiner Gänze
überblicken, ist relativ klein. Das Projekt war hochkomplex und es wäre
sinnvoll gewesen, dies kommunikativ noch weiter zu vereinfachen und das
Projektmarketing stärker zu verfolgen. Insbesondere weil im Projekt sehr viele
wichtige Ergebnisse erzielt und Erfolge erreicht wurden, die ohne eine klare
Kommunikation unter Umständen nicht leicht „greifbar" sind. Erfolge
derartiger Projekte müssen offensiv gefeiert und kommuniziert werden. In Zukunft
erscheint es uns sinnvoll, das Projektmarketing schon bei der Budgetierung zu
berücksichtigen, so z.B. das Erstellen einer Broschüre nach dreiviertel der
Projektlaufzeit mit den wichtigsten Ergebnissen.
Neben dem Projektmarketing hätten auch Monitoringinstrumente
(wie z.B. die bereits angesprochene Projektfeldanalyse der Projektbeteiligten)
stärker genutzt werden können.
Wir rechnen es der Hans-Böckler-Stiftung hoch an,
dass sie sich mit uns auf ein Thema eingelassen hat, welches am Anfang nicht
völlig klar umrissen war. Rückblickend ist die Thematik klar geworden und wir
haben festgestellt, dass wir in unserer Arbeit an den richtigen Punkten
angesetzt haben. Die Hans-Böckler-Stiftung und wir haben es gewagt, offen an
den Prozess zu gehen – das war wichtig, um dieses Projekt durchzuführen.
Die externen Impulse für das Projekt waren wichtig
und die Einrichtung eines Beirats war sinnvoll. Im Rückblick zeigte sich, dass
eine Betriebsrätekonferenz, wie sie am Projektende stattfand, bereits in der
Projektmitte sinnvoll gewesen wäre. Aber auch abseits der
Betriebsrätekonferenzen sollte ein Erfahrungsaustausch mit anderen
Betriebsräten stattfinden und gemeinsame Diskussionen gesucht werden.
Die regelmäßige interne und zuweilen externe
Reflexion des Projektes hat sich bewährt.
Um die Nachhaltigkeit des Projektes zu
gewährleisten, sind verschiedene Maßnahmen bereits eingeleitet worden. Dies
reicht von den um den Strategieanteil ergänzten Teamentwicklungen über die
offene Arbeitsweise in Arbeitsgruppen und Projekten, bis hin zu inhaltlichen
Aufgaben hinsichtlich der Qualifizierung und Personalentwicklung. Mit Hilfe von
verschiedenen Kennzahlen und Erfolgskriterien war das Thema Nachhaltigkeit
zudem ein integraler Bestandteil des Projektes und sichert über diesen Weg
wichtige Ergebnisse ab.
Darüber hinaus ist beschlossen worden, weiter mit
externen Kräften zu arbeiten, die die nötige Distanz und Expertise aufbringen.
Dies gilt für die Teamentwicklungen, aber auch für Fraktionsklausuren, die
weiterhin moderiert verlaufen sollen.
Noch offen ist der Ausgang um die
Fachausschussstruktur. Hier ist allerdings bereits ein Weg und ein Zeitraum
vereinbart, in dem es weiter geht (siehe Kapitel 6.2).
Dennoch gibt es weiterhin Themen, die drohen in Vergessenheit
zu geraten oder Verhaltensweisen, die dann doch wieder in den alten Trott
zurückfallen. Um darauf zu reagieren, könnte das Projektteam in seiner
Zusammensetzung bestehen bleiben, um aus dem Projekt resultierende
Errungenschaften quasi zu überwachen. Dafür könnte ein Frühwarnsystem entwickelt
werden, das rechtzeitig Entwicklungen feststellt und zur Sprache bringt, damit
auch so genannte „weiche Erfolge“ bestehen bleiben. Zu beachten sind
beispielsweise Themen wie Disziplin, Offenheit für Themen, Bewältigung von
Konflikte, Informationsfluss etc.
Für uns geht ein zweieinhalbjähriges Projekt zu
Ende, das geprägt war durch eine sehr hohe strukturelle aber auch emotionale
Komplexität. Dies hing zusammen mit unserem Anspruch, an sehr vielen
verschiedenen Punkten gleichzeitig anzusetzen und auszuprobieren, an welchen
Punkten Veränderung Resonanz findet, aber auch an welchen Punkten sie besonders
viel bewirken kann. Die Komplexität hing aber auch damit zusammen, dass
Betriebsratsarbeit mehr als "normale" Arbeit im Unternehmen von einer
hohen Emotionalität geprägt ist. Wir fanden, dass eine sehr herzliche
Atmosphäre im Projekt herrschte, stärker als in reinen Unternehmensprojekten,
die ja auch oft in einem sachlich klarer abgegrenzten Bereich stattfinden. Wir
haben dies als eine große Qualität des Projektes erlebt, die auch daran zu
spüren war, dass wir immer gerne nach Emden gefahren sind.
Wir haben das hohe Engagement der Beteiligten vor
Ort schätzen gelernt und auch die hohe Kompetenz, besonders der Promotoren des
Projektes. Da wir sowohl für Organisationen im Profitbereich als auch im
Non-Profitbereich arbeiten, ist es interessant, Unterschiede zu beobachten. Die
fehlende formale Hierarchie in Betriebsratsstrukturen macht so manche Prozesse
anstrengender und bei so mancher Sitzung im großen Kreis von 40-50 Beteiligten
war mehr Disziplin wünschenswert. Dies erzeugt auch Respekt vor denen im
Betriebsrat, die Führung ausüben müssen, ohne dass ihnen dafür eine formale
hierarchische Stellung gegeben ist, wie das bei den Managern im Unternehmen
üblich ist. Dadurch müssen Betriebsräte in einem sehr viel komplexeren
politischen Umfeld agieren als so mancher Manager. (Auf der anderen Seite gibt
es auch jene Manager, die sich bewundernd über das dichte und eng geknüpfte
Netzwerk der Vertrauensleute äußern, das der Betriebsrat nutzen kann und sich
ein vergleichbares Netz für ihre Arbeit wünschen).
Auch ist es nicht einfach, als
"Unternehmensberater" im Kreise von Betriebsräten Akzeptanz zu
finden. Es gab im Betriebsrat viele frühere Erfahrungen mit Unternehmensberatern,
die arrogant aufgetreten waren, vor allem Arbeitsplätze reduzieren wollten oder
nur kurzsichtige betriebswirtschaftliche Rationalisierungen im Fokus hatten und
- ein häufiger Vorwurf - „so viel Geld kosten“. Um diese Widerstände zu
überwinden, brauchte es einen langsamen Vertrauensaufbau und die dann
persönlich erlebte Erfahrung der Beteiligten, dass der externe Blick und der
unterschiedliche Erfahrungshorizont zu wichtigen Anregungen für die eigene
Betriebsratsarbeit mit spürbaren Verbesserungen führen kann. Hier sei noch
einmal erwähnt, dass die lange Projektlaufzeit für diesen Prozess einen Rahmen
gegeben hat und den Verantwortlichen dafür ausdrücklich gedankt. In unserer
kurzatmigen Zeit würde auch in so manchem Unternehmensprojekt ein längerer Atem
zu mehr Erfolg führen und es den Menschen ermöglichen, ihre Kompetenz in
Projekte einzubringen, denen sie zunächst reserviert gegenüberstehen. (statt:
zuzusteigen und mit zu fahren).
Am Ende waren nicht alle von dem Geleisteten
begeistert, aber doch herrschte mehrheitlich eine große Zufriedenheit mit dem
im Projekt Erreichten. Wenn die Ansprüche an Betriebsräte steigen, kann externe
Beratung hilfreich sein, weil sie andere Betrachtungsmöglichkeiten eröffnet.
Dies annehmen zu können, erfordert persönliche Stärke, das Vertrauen in die
eigene Kompetenz und den dauernden Wechsel zwischen Annehmen von Beratung und
kritischer Distanz zu dem Gesagten. Wer zu diesem Wechsel in der Lage ist, wird
qualitativ hochwertige Beratung als Bereicherung erleben können. Insofern war
die Ausgangssituation im Betriebsrat in Emden auch nicht Schwäche, die
unbedingt Beratung brauchte, sondern eine emotionale und strukturelle Stärke,
ausgedrückt z.B. auch in einem Organisationsgrad der IG Metall im Werk von 98%,
was auch bedeutet, dass nicht nur die in der Produktion direkt tätigen hoch
organisiert sind, sondern auch die „Angestellten“ und viele Führungskräfte. Aus
dieser Stärke heraus wurde das Projekt gewünscht, um besser zu werden, aber
auch in der Voraussicht eventuell drohender Gefahren, auf die man sich gut
vorbereiten muss.
Für uns bedeutet das Projekt auch eine ständige
Hinterfragung unserer Sprache und unserer Begriffe. Die Beratersprache - in
anderen Zielgruppen als Zeichen der Zunft akzeptiert oder erstaunlicherweise
sogar bisweilen bewundert - wird in Betriebsratskreisen nicht hingenommen. Dies
erfordert im Umgang eine Anpassung von Methoden und Formulierungen und stellt
oft nicht mehr Hinterfragtes wieder in Frage. Es erfordert eine
Komplexitätsreduzierung, die den Berater zwingt, nur jene Punkte in das
Scheinwerferlicht zu rücken, die wirklich wichtig sind. So manchmal hieß es
auch, das Tempo der Veränderungsprozesse in Frage zu stellen und ein Gespür
dafür zu bekommen, dass Verlangsamung Prozesse beschleunigen kann. Dies
erfordert auch, sich hinein zu denken, warum bestimmte Veränderungen als
besonders riskant eingeschätzt wurden, dass es im politischen Geschäft nicht
ausreicht, etwas als richtig oder notwendig einzuschätzen. Vielmehr müssen die
Handelnden auch von ihrer Gruppe wiedergewählt werden, damit sie das, was sie
als richtig oder notwendig einschätzen, auch umsetzen können.
Wir haben dieses Projekt auch deswegen
durchgeführt, weil wir im Kontext unserer Arbeit den Wert der Mitbestimmung
schätzen, aber gleichzeitig auch die Notwendigkeit ihrer internen
Weiterentwicklung sehen. Eine Herausforderung war, an den Fragen anzusetzen,
die wichtig für diese Weiterentwicklung, aber noch nicht unbedingt
mehrheitsfähig in der normalen Gewerkschafts- und Betriebsratsarbeit gewesen
sind. Dies gilt für eine Reihe von Themen in diesem Projekt, wie z.B. der
Bedeutung der Persönlichkeit, die Bereitschaft politische Arbeit messbar zu
machen bis hin zu der Thematisierung von Nachhaltigkeit. Die Konferenz der
Betriebsräte anderer Unternehmen zum Projekt zeigte, dass die im Projekt
bearbeiteten Themen auch von anderen Betriebsräten als relevant angesehen
wurden und auf Resonanz stießen.
Im Projekt ist viel erreicht worden, einzelne
Themenfelder sind aber bis Projektende nicht vollständig abgeschlossen worden.
Dies soll aber noch geschehen. Insbesondere wird der Themenbereich
Wissensmanagement und die Entwicklung der Ausschussstruktur weiterbearbeitet. Die
künftige Vorgehensweise bei der Strukturweiterentwicklung wurde auf der
Fraktionsklausur im November 2009 beschlossen: Nach der Betriebsratswahl im
Werk 2010 soll innerhalb des Zeitfensters bis zur Konstituierung des neuen
Betriebsrates ein Vorschlag für eine neue Struktur ausgearbeitet, vorgeschlagen
und dann möglichst vom neuen Betriebsrat zum Beginn seiner Arbeit verabschiedet
werden (näheres dazu bereits in Kapitel 6.2). Damit eine neue Struktur
Akzeptanz finden kann, wird es wichtig sein, die Diskussionsergebnisse zu
diesem Thema aus der Klausur aufzugreifen und in den Vorschlag einzuarbeiten.
Mit großer Wahrscheinlichkeit wird aber auf Grund der starken Kontroversen zu
diesem Thema im weiteren Prozess eine Führungsrolle einzelner Promotoren notwendig
sein, um eine Entscheidung an diesem Punkt voran zu bringen.
Wichtig wird es sein, dass erarbeitete Ergebnisse
im Projekt unbedingt verstetigt und bewahrt werden. Im Betriebsrat besteht
Konsens, dass die folgenden im Projekt angewendeten Themen, Elemente und
Instrumente nach Projektabschluss weitergeführt werden sollen:
Ø Strategische Arbeit
-
Zentral
-
in den Bereichen
Ø System und Planung in
-
der Betriebsratsarbeit
-
der IGM Fraktion
Ø Prozesse und
Entscheidungen über Strukturen absichern
Ø Offene Arbeitsweise: Arbeit
in AGs und Projekten
Ø Disziplin in der täglichen
Arbeit:
-
Pünktlichkeit
-
Handy aus
-
Verbindlichkeit bei Absprachen
-
Aussprechen lassen und Zuhören
Ø Führung weiterentwickeln
und praktizieren
Ø Respekt, Achtung,
Vertrauen, Offenheit, Transparenz
Ø Das Instrument der ein-
oder zweitägigen Klausuren nutzen
Ø Teamentwicklung
Ø Bei komplexen
Fragestellungen externe Unterstützung heranziehen
Ø Qualifizierung und
Personalentwicklung
Ø Persönlichkeiten und
Gruppen entwickeln, um Veränderungskompetenz weiter zu fördern.
Ø Öffentlichkeitsarbeit,
Qualifizierung sowie Verbesserung der Kommunikation einzelner Betriebsräte
Ø Nachhaltige und
beteiligungsorientierte Politik (z. B. grüne Fabrik)
Damit die bisherigen Ergebnisse im Betriebsrat
stabilisiert und weiterentwickelt werden können, wurden Verantwortliche
gefunden (geschäftsführender Fraktionsvorstand und das ehemalige Projektteam),
die die Projektergebnisse weiterführen werden. Es wird für den langfristigen
Projekterfolg entscheidend sein, wie sich diese Struktur nach dem Projektende
entwickelt, denn es braucht eine langfristig wirkende Implementierungsstruktur.
Im Zuge der nachhaltigen Betriebsratsarbeit wird
ein Fokus der Projektbewertung, neben den bereits erreichten Veränderungen,
auch auf der weiteren Entwicklung im Betriebsrat liegen. Evolutionäre
Betriebsratsarbeit bedeutet, nicht stehen zu bleiben, sondern auch nach
Projektende die notwendigen weiteren Veränderungen aktiv weiter voran zu
bringen.
Durch die Erstellung, Diskussion und Überarbeitung
des Berichtes ist vielen Projektbeteiligten nochmals deutlich geworden, wie
vieles im Projektablauf erreicht worden ist. Es wäre schade, wenn diese Erfolge
in der Tagesarbeit untergehen würden. Die Ergebnisse und Erfahrungen sollten
daher in komprimierter Form an die Belegschaft und in die gewerkschaftliche
Landschaft kommuniziert werden. Vorstellbar wäre beispielsweise über das
Handbuch hinaus eine kürzere Broschüre, die einen raschen Einblick in das
Projekt und seine Ergebnisse ermöglicht. Viele Resultate sind auch für
Betriebsräte anderer Werke und Branchen nützlich und sollten dementsprechend
kommuniziert werden. Eine Möglichkeit zum Transfer der Projektergebnisse ist
die Organisation von Veranstaltungen (z.B. Foren), um diese Themen in Form
eines Dialoges in die Betriebsrätelandschaft zu tragen.
Darüber hinaus möchten wir auch eine Diskussion mit
den Ergebnissen des Projektes in die Betriebsräte- und Gewerkschaftslandschaft
hineintragen. Dies sollte die folgenden Bereiche umfassen:
Ø Weiterentwicklung des
BetrVG
Hier
geht es darum, eine Debatte anzustoßen zu den Themen Führung und
Personalentwicklung. Wie müsste eine eventuelle Gesetzesänderung aussehen, die
die hier notwendigen Veränderungen möglich macht? Sinnvoll wäre es, im BetrVG
Weiterbildungsrechte für die Betriebsräte zu verankern, die den Weiterbildungsrealitäten
des Managements entsprechen.
Ø Qualifizierung von
Betriebsräten
Hier
geht es darum, die im Projekt aufgezeigten Schwachstellen der
Betriebsratsarbeit sowie die hier entwickelten Instrumente und Kompetenzen auch
im begleitenden Sinne in die gewerkschaftliche Weiterbildung der Betriebsräte
zu integrieren. Denkbar wären hier auch Angebote an die Vorsitzenden und
Stellvertreter zum Thema Führung.
Ø Gewerkschaftliche
Positionierung zu nachhaltiger Betriebsratsarbeit (ökologisch und inhaltlich)
Hier
geht es darum, das Prinzip der Nachhaltigkeit offensiver in die Arbeit von
Betriebsräten zu integrieren.
Der Beirat hat sich gewünscht, nach zwei Jahren
durch die Hans-Böckler-Stiftung einen Workshop durchzuführen, auf dem mit einem
gewissen Zeitabstand auf die Ergebnisse des Projektes geschaut wird und die
Nachhaltigkeit überprüft wird. Dies ist sinnvoll, um zu prüfen, ob der Anspruch
des Projektes auch erreicht worden ist, bzw. an welchen Punkten sich
Veränderungen ergeben haben. Dadurch wird aber auch ein äußerer Impuls gesetzt,
im Betriebsrat Emden weiterhin konsequent an der Umsetzung der
Projektergebnisse zu arbeiten.
Wir würden uns freuen, wenn unsere Arbeit eine
Debatte in den Betriebsräten zu der Frage der Verbindung von „weichen“ und
„harten“ Faktoren in der Betriebsratsarbeit, der Verbindung von Struktur und
Person ermöglichen würde und wenn unsere Arbeit einen Teil dazu beitragen kann,
das Thema „Nachhaltigkeit“ in seinen vielen Facetten in den Diskussionen und
Aktionen der Betriebsräte zu stärken. Die Krise zeigt uns, dass hier große
Herausforderungen auf uns zugekommen sind, bei denen es Sinn macht, darauf die
Kräfte zu fokussieren, aber hoffentlich auch die Wirksamkeit eigener
Gestaltungskraft spüren zu können.